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Ein Lauf so lang wie ein Unterarm. Mit dem „Peacemaker“ ihres Ururgroßvaters bewaffnet kennt Wynonna Earp nur ein Ziel: die Zombie-Bösewichter endgültig zur Strecke zu bringen.

© Wynonna Earp Productions/Michelle Faye

Syfy-Serie „Wynonna Earp“: Frieden stiften unter Untoten

In der Comic-Adaption „Wynonna Earp“ geht die Ururenkelin des berühmten Marshals auf die Jagd. Die Serie hat durchaus auch eine politische Aussage.

Waffen als Friedensstifter zu bezeichnen, ist nicht nur unter Pazifisten sehr umstritten. Wenn ein Schießeisen „Peacemaker“ heißt, ist daher Vorsicht geboten, ob es die Welt wirklich friedfertiger macht oder am Ende nicht doch das Gegenteil bewirkt.

Im Fall des berühmten Revolvers der Marke Colt jedenfalls streiten Historiker bis heute, ob Wyatt Earp beim Feuergefecht am O. K. Corral drei schwer bewaffnete Gangster erschossen hat – oder unbewaffnete Konkurrenten. Ein Hirngespinst dagegen dürfte es sein, dass seine 74 anderen Todesopfer allesamt Untote sind, die man 140 Jahre später nur mit Marshal Earps magischem Peacemaker ins Jenseits befördern kann.

Aber zugegeben: Es ist ein tolles Hirngespinst. Zumindest für jene Horrorfans, die sich an Logiklücken und Klischees nicht weiter stören, im Gegenteil: deren Amüsement untrennbar damit verbunden ist, die Realität brutalstmöglich auf den Kopf zu stellen.

[„Wynonna Earp“, Syfy, ab Mittwoch]

Wenn sich Wynonna Earp auf die Jagd nach lebenden Leichen begibt, die den Weg ihres Ururgroßvaters gepflastert haben, ist es also kein Problem, dass der nächtliche Wald im ländlichen Arizona stets taghell beleuchtet ist und Messer beim Ziehen Geräusche wie Schwertkämpfe erzeugen, dass Stürze aus fünf Metern Höhe nicht mal Kratzer hinterlassen und ohnehin fast alles an dieser Serie, nun ja, kompletter Blödsinn ist. Egal.

Nachdem die ersten zwei Staffeln „Wynonna Earp“ vor drei Jahren schon mal kurz bei Netflix liefen und flugs wieder verschwunden sind, vollendet die Titelheldin ab heute in Dreifachfolgen beim Spartensender Syfy das blutige Werk von Uropa Wyatt. Und wie es sich für eine Comic-Adaption gehört, schert sich die Showrunnerin Emily Andras („Lost Girl“) dabei nur am Rande der Verfilmung von Beau Smiths Vorlage um Glaubwürdigkeit.

Die Story ist demnach schnell erzählt: Am 27. Geburtstag kehrt Ururenkelin (Melanie Scrofano) nach jahrelangem Stadtexil ins staubige Heimatnest ihrer Ahnen zurück, und Englischkundige erkennen bereits am Ortsnamen: Hier geht es fortan heiß her.

Im Fegefeuer der Trailerparks

„Purgatory“ heißt schließlich „Fegefeuer“, aus dem die Bewohner eines heruntergekommenen Trailerparks am Stadtrand offenbar aufgestiegen sind. Wynonna nennt sie demnach „Revenants“, also Rückkehrer aus dem Reich der Toten. Um sie dorthin zurückzubefördern, verbündet sich die toughe Rächerin nicht nur mit ihrer kleinen Schwester Waverly (Dominique Provost-Chalkley) und dem eingeflogenen FBI-Agenten Dolls (Shamier Anderson). Zur Seite steht allen auch Wyatt Earps legendärer Kompagnon Doc Holliday (Tim Rozon), der anders als überliefert nicht 1887 gestorben ist, sondern einfach weiterlebt.

Gemeinsam geht das Quartett jeweils 25 alte und neue Folgen lang auf Zombiejagd, die bis an den Rand des Erträglichen grausam ist und damit nichts für Zartbesaitete. In aller Seelenruhe werden da Zungen rausgerissen, Köpfe durchlöchert, Leiber gegrillt.

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Die Bösen sind echt abgrundtief böse, die Guten keinesfalls immer auf der rechten Seite des Gesetzes. Obwohl die bildschöne Earp-Erbin mal fluchend, meist schießend, stets auf der Hatz nach ruppigem Sex mit harten Jungs ihrer Mission nachgeht, wäre es aber dennoch ein wenig zu kurz gedacht, die dauernde Drastik als selbstreferenziell zu kritisieren.

Wie ihr ungenanntes Vorbild „Buffy“ nämlich, die Ende der Neunzigerjahre leibhaftige Geister jagte, aber auch jene ihrer komplizierten Adoleszenzphase, verhandelt Wynonna Earp neben ihrer eigentlichen Monsterjagd ein paar gesellschaftspolitische Großwetterlagen der amerikanischen Gegenwart.

Natürlich hat sie dabei mit inneren Dämonen ähnlich zu kämpfen wie mit äußeren. Nicht zufällig aber sind letztere vorwiegend weiße Hinterwäldler wie Michael Eklund als sinistrer Irokesen-Sadist Bobo des Rey. Gemeinsame Merkmale: schlechte Zähne, wohnhaft im Wohnwagen, umgangssprachlich „White Trash“ genannt. Ihnen stellen sich die beiden emanzipierten Frauen mithilfe eines distinguierten, gebildeten, hochkompetenten Cops schwarzer Hautfarbe entgegen.

Unterhaltsamer könnte man Donald Trumps USA kaum mit denen Barack Obamas konterkarieren. Doch keine Angst, liebe Horrornerds, Kopf hoch, werte Mysteryfreaks: Jenseits der soziokulturellen Metaebene bleibt „Wynonna Earp“ hochaufgelöstes, angemessen gewalttätiges, extrem kurzweiliges Kunstblut-Entertainment mit etwas Humor und einer Hauptfigur, die wie immer viel zu sexy ist fürs Fieslingfangen. Dass der Lauf ihres Peacemakers Unterarmlänge hat, dürfte da kein Zufall sein.

Jan Freitag

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