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War er’s? Tina (Ricarda Seifried) verdächtigt Rupert (Matthias Brandt) des Mordes an ihrem Mann.

© Martin Valentin Menke/ZDF

„Wir wären andere Menschen“: Trau keinem Fahrlehrer

Matthias Brandt beeindruckt im ZDF-Krimidrama „Wir wären andere Menschen“.

Rupert Seidlein (Matthias Brandt) steuert mit seiner jungen Fahrschülerin einen Ort mit Blick übers Rheintal an. Dort, wo er sich in seiner Jugend mit Freunden getroffen hat, gerät er ins Schwärmen.

Doch Seidleins Jugend war durch ein tragisches Ereignis jäh beendet worden, was Regisseur Jan Bonny in einer Rückblende in dem ZDF-Krimidrama „Wir wären andere Menschen“ bereits frühzeitig erzählt: Zwei junge Streifenpolizisten werden zu einem Einsatz in Seidleins Elternhaus gerufen. Die Sache läuft furchtbar aus dem Ruder.

Weil sich die Polizisten bedroht fühlen, schießen sie um sich. Seidleins Eltern und auch sein bester Freund, der mit einem Messer in der Hand ins Wohnzimmer stürmt, werden getötet. Jahrzehnte später ist Fahrlehrer Seidlein mit seiner Frau Anja (Silke Bodenbender) in den kleinen Heimatort zurückgekehrt, wo die beiden Polizisten immer noch leben.

Matthias Brandt läuft in diesem Fernsehfilm nach Friedrich Anis Erzählung „Rupert“ zur Hochform auf, spielt den in seinen traumatischen Erinnerungen gefangenen Mann mit geduckter Körperhaltung und auch sprachlich ungelenk.

Seidlein wirkt verstört, aber harmlos. Ein scheuer Typ, dem man keinen Rachefeldzug zutrauen würde. „Er hat Ihnen doch längst verziehen“, sagt auch seine Frau Anja zum misstrauischen Josef Bäumler (Paul Faßnacht), einem der beiden mittlerweile pensionierten Polizisten, die die Seidleins sogar ernsthaft zu einem privaten Grillfest einladen wollen.

Look der Wahrhaftigkeit

Mit dem zweiten, Christoph Horn (Manfred Zapatka), und dessen Freundin Tina (Ricarda Seifried) verbringen sie sogar einen feucht-fröhlichen Abend im Clubheim eines örtlichen Sportvereins. Eine beklemmende Szene voller falscher Freundlichkeiten und trunkenem Übermut.

Bei einer scheinbar zufälligen Begegnung am Rhein überredet Rupert seinen neuen Duzfreund Christoph schließlich zu einem gemeinsam Bad im Fluss – und tötet ihn. Beängstigend gut spielt Matthias Brandt auch diesen Sekundenwandel vom vermeintlichen Kumpel zum entschlossenen Racheengel.

Anja leidet mit ihrem Mann, verzweifelt an seiner unbeholfenen Verschlossenheit und kompensiert das – besonders nach zu viel Alkoholgenuss – mit einem Übermaß an Lachen und Lautstärke. Silke Bodenbender wirkt dabei nicht immer überzeugend. Dennoch erzählt das Drehbuch von Ina Jung und Ani selbst auch eine Art Liebesgeschichte. Allerdings eine ohne jeden romantischen Gefühlskitsch.

Jan Bonnys Regiestil setzt auf einen Look der Wahrhaftigkeit. Er verzichtet auf satte Farben, reduziert den Einsatz von künstlichem Licht und Musik und lässt seinem Ensemble Raum für Improvisation.

Zu viel Realität fürs ZDF

So klingen die Dialoge holprig wie im echten Leben, und so grau wie in der Realität sieht auch dieses rheinische Provinzkaff aus, mit seinen schlichten Häuserreihen, den Plastikmöbeln und der trostlosen Ungemütlichkeit im Clubheim. Zu viel Realität offenbar fürs ZDF, das den Film bedauerlicher Weise nicht in der Primetime, sondern erst am späten Abend versendet.

„Bald ist hier nichts mehr“, sagt eine Passantin zu Beginn zu Rupert Seidlein, dessen Rückkehr in den Heimatort immerhin für etwas Gesprächsstoff gesorgt hat. Die tragischen Ereignisse sind im Dorf nicht vergessen.

Hinter Ruperts Rücken wird getuschelt, und nach dem Tod von Christoph Horn, den Seidlein als Unfall ausgibt, muss er sich Fragen und Vorwürfe anhören. Und dann taucht Kriminalkommissar Wackwitz (Andreas Döhler) auf, der ihm penetrant auf die Pelle rückt.

Jan Bonnys unverwechselbare Regie-Handschrift und Brandts beeindruckendes Spiel machen aus Anis Erzählung ein spannendes, eigenständiges Werk.
ZDF, Donnerstag, 23.15 Uhr

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