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Zu lange in der Welt, um über Nacht zu verschwinden. Charlie Sheen in der Pro-7-Serie „Two and a Half Men“.

© Pro7

TV-Chauvinisten: Komischer Sex mit Stinkstiefeln

Bullen, Anwälte, Familienflegel: das Comeback des Machos in Fernseh-Sitcom und Krimi - von Charlie Sheen bis Henning Baum.

„Wir waren früher besser dran“, sagt Denny Crane zu seinem Freund und Gegenspieler Alan Shore, „als die Frauen noch nicht mitreden durften. Früher waren sie Wesen, mit denen wir nur Sex haben wollten. Jetzt sind sie intelligente, stolze, machtvolle Wesen – mit denen wir nur Sex haben wollen.“ Alan lächelt sein entrücktes Lächeln, das in etwa sagen will: Was redest du da, du alter Macho, und warum habe ich dich so gern, obwohl du so redest. Die Anwaltsserie „Boston Legal“ wird derzeit am Montag auf Vox wiederholt, und wer dieses herausragende Stück US-Fernsehen bisher versäumt hat, kann jetzt noch Bekanntschaft schließen mit den verrückten Bostonern aus der Werkstatt von David E. Kelley („Ally McBeal“). Er wird sehr bald vor demselben Problem stehen wie Alan Shore (James Spader). Nach ein paar Sequenzen ohne Denny (William Shatner) lechzt man förmlich nach dem alten Stinkstiefel. Er ist rechtskonservativ, Waffennarr, ohne jedes soziale Gewissen. Dafür saukomisch. Eine bessere Empfehlung für das Fernsehpublikum gibt es nicht.

Denny ist ein alter Knabe, den kann man nicht mehr ändern. Gibt es den Macho reinsten Wassers auch noch in der jüngeren Generation? Aber hallo. Charlie Harper nimmt in der US-Serie „Two and a Half Men“ Anstoß daran, dass sein Bruder sich mit einer nicht mehr ganz jungen Frau verabredet. „Das Highschoolabschlussfoto von der findest du an einer Höhlenwand in Frankreich.“ Auch dieser Spruch wird ihm zugeschrieben: „Solange ich ’ne Frau habe, die kocht, putzt und für Action im Schlafzimmer sorgt, brauch ich nicht zu heiraten.“ Ein Ausrutscher? Nee, so ist Charlie. Und deshalb ist er der beliebteste Sitcom-Held in Amerika – obwohl sein Darsteller Charlie Sheen wegen zu vieler Skandale aus der Serie geflogen sein soll. Aber wer weiß, ob das nicht nur Show ist und er bald zurückkehrt. Hier in Deutschland kann man dienstags auf Pro 7 über ihn lachen, die Pointen sind nicht von schlechten Eltern. Und die Fangemeinde mit bis zu 16 Prozent Marktanteilen in der jungen Zielgruppe beachtlich.

Sogar eine deutsche Produktion traut sich, dem Macho die Szene zu überlassen. In „Der letzte Bulle“ schmunzelt Henning Baum alias Mick Brisgau cool in die Kamera; er trägt gestutzten Bart, Holzfällerhemd und Zigarette. Der Schauplatz Essen, also Ruhrgebiet, legt die Assoziation Schimanski nahe. Micks Vorbild ist Clint Eastwood. Der schnipste sich den Glimmstängel aus der Schachtel in den Mund. Auf Sat 1 sieht man diesen Bullen montags zur Primetime. Die Serie erzielt in der zweiten Staffel konstant gute Werte. Zuletzt hatte „Der letzte Bulle“ 3,59 Millionen Zuschauer, das machte beim werberelevanten Publikum beachtliche 15,8 Prozent Marktanteil.

Und wenn man sich dann noch mittwochs auf Pro 7 Folgen der Sitcom „How I Met Your Mother“ reinzieht, in der Hagestolz Barney Stinson seine Überlegenheit über die im Unterholz ihrer Ehen und Beziehungen herumkrauchenden Mitgeschöpfe inszeniert, kann man verstehen, dass unlängst schon die Frage gestellt wurde: „Kehrt der Macho zurück ins Fernsehen?“ Frauenpower ade?

Da der Macho vorwiegend in der Sitcom wiederkehrt, liegt der Schluss nahe: Er ist zur komischen Figur geworden. Das hohe Ross, auf dem er sitzt, steht für Fallhöhe und Fallhöhe für Schadenfreude. Längst sind ihm neue Partner erwachsen – Frauen mit Power, die ihn auch geschenkt nicht nehmen würden und Männer mit Alan-Shore-Lächeln, die den Machismo nicht nötig haben. Crane in „Boston Legal“ sagt es selbst: Früher war alles besser für den Macho, und obschon die „Früher-besser“-Sätze meistens nicht stimmen, hat Denny recht. Charlies trotteliger Bruder in „Two and a Half Men“ punktet den Angeber öfter mal aus, und Mick Brisgau als „letzter Bulle“ ist derzeit ziemlich depressiv, weil die 50-Stunden-Therapie bei der Polizeipsychologin zu Ende ist, wobei es ihm natürlich nicht um die Therapie, sondern um die Psychologin geht. Der Macho ist in einer Welt, die sich unter ihm weggedreht hat, für so manchen Ulk gut. Und das Fernsehen wäre schön blöd, wenn es das nicht sähe und etwas draus machte.

Andrerseits: Es gibt den Macho noch in echt. Auch hier bei uns. Sicher nicht unhinterfragt, nicht mehr als Vorbild. Er war zu lange in der Welt, um über Nacht zu verschwinden. Und wie alle überlebten Figuren, die von einem verblassenden Ruhm zehren, hat auch der Macho etwas Rührendes. Er erinnert ein wenig an die Königshäuser in Europa. Sie sind immer noch da mit ihrem dysfunktionalen Prunk, obwohl sich die Welt längst unter ihnen weggedreht hat. Aber das Volk hat sofort Tränen in den Augen, wenn einer ihrer Repräsentanten auf dem Balkon erscheint. Geradeso geht es Alan Shore in „Boston Legal“, wenn er mit Denny den Tag beschließt, beide mit dicken Zigarren und Whisky, und Denny erzählt, wie er im Traum mit Hillary Clinton geschlafen hat. Alan lächelt. Das tut auch die Polizeipsychologin, wenn der arme Mick es gar nicht fassen kann, dass die Therapie vorbei sein soll. Sie ahnt gewiss, dass es nicht nur an ihr liegt. Sondern auch daran, dass Mick und der Macho gar nicht geheilt werden wollen.

Man muss anerkennen, dass der Chauvinist nur da tendenziell abdankt oder sich mit einer Wiederkehr als Witzfigur begnügt, wo die Frauenbewegung stark war. In allen anderen Ländern und Parallelgesellschaften kommt er weiter vor, er betrachtet sich selbst keineswegs als Auslaufmodell, schon gar nicht in einer Serie aus der Werbewelt der 1960er Jahre wie „Mad Men“ („Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein Mann, der ihr auf den Arsch glotzt“). Umso wichtiger, dass die Drama-, Krimi-, Serien- und Sitcomschreiber sich weiter seiner annehmen und die Risse zeigen, die durch die Figur hindurchgehen, jedoch von den „echten“ Machos nicht wirklich wahrgenommen werden. Man begegnet ihnen auf unseren Straßen Tag für Tag, jedenfalls in Berlin und wahrscheinlich auch in Essen.

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