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Medien: Unser Land braucht Dr. Brömme

Seine Show wird sieben – doch hat Harald Schmidt seine alten Mitstreiter vergessen

Natürlich ist er immer noch der Größte, der Beste von allen, die Lichtgestalt, ach was: der Heilsbringer des deutschen Fernsehens. Obwohl von Beruf Entertainer, vermag der Mann mehr: Es soll Menschen geben, die darauf schwören, bei Liebeskummer die Harald Schmidt Show zu schauen. Danach, behaupten sie, wisse man, wie man alles, auch den Schmerz, mit Würde erträgt – ein guter Gag reicht ja meistens, um den Dingen des Lebens die Maske vom Gesicht zu reißen. Kommt man leider ohne Harald Schmidt höchst selten von selbst drauf.

Sein siebtes Jahr bringt er jetzt hinter sich, ein Ende ist nicht abzusehen. Klar: Vereinzelt weist Schmidt Abnutzungserscheinungen auf, aber meistens unterhält er doch brillant. Das liegt auch daran, dass er sich in den vergangenen sieben Jahren immer wieder von funktionierenden Mechanismen getrennt hat, die seine Show ausmachten: Von den Chinesen Lee und Wang, von den dicken Kindern von Landau, von „deutschem Wasser“, von seinem Postboten Letterman, von dem Satzanfang: „Heute morgen, um 4 Uhr 11, als ich von den Wiesen zurückkam, wo ich den Tau aufgelesen habe…“ Vieles kommt in der Show nicht mehr vor, nicht einmal als Selbstzitat. Einer wie Schmidt, der das Fernsehen versteht wie kein zweiter, schaut eben nicht zurück, niemals. Und das hat vielleicht auch etwas mit Würde zu tun.

Manuel Andrack, Redaktionsleiter mit Arbeitsplatz im Studio, folgt seinem Chef ins achte Jahr und wenn man beiden glauben darf, dann folgt ihm Andrack überall hin, dabei wäre es jetzt an der Zeit für Schmidt, sich von dem Mann zu trennen – auch um ihn vor sich selbst zu schützen. Nach beinahe zwei Jahren, die Andrack an der Seite seines Herren zubrachte, scheint sein Wortschatz ausgeschöpft: „Ja, klar“ und „absolut“ – das sind die Beiträge, mit denen Andrack die Show hauptsächlich bestreitet. Er zitiert sich schon selbst, und es wird auch beginnen, was immer beginnt: Dass der Hype sich gegen einen richtet, dass der Moment kommen wird, wo der Zuschauer Andrack als lästig empfinden wird, als Ärgernis. Gerade weil Schmidt seine Show immer wieder neu erfunden hat, entsteht langsam der Eindruck: Jetzt ist aber auch mal wieder gut.

Vielleicht wäre es Andrack sogar zu wünschen, dessen Qualitäten wohl eher hinter als vor der Kamera zu suchen sind. Im Rampenlicht entwickelte er sich nicht zum Guten, sondern zum Schlechten. Anders ist es nicht zu erklären, warum die Filmbeiträge der Schmidt- Autoren fast vollständig gestrichen wurden – übrigens kein Mechanismus, von dem man sich trennen müsste, sondern eher stilbildendes Element der Show. Es muss eine Anweisung Andracks sein, er ist der Redaktionsleiter. Duldet er keine anderen Götter neben sich? Will er, selbstverständlich nach Schmidt, der einzige Star sein? Ist ihm sein Erfolg, sein Ruhm, zu Kopf gestiegen?

Früher, da gab es diese unsagbar lustigen Filmbeiträge, die für sich allein eine Kunstform waren: Selten länger als eine Minute dreißig Sekunden, aber mit einer Gagfülle, dass dem Zuschauer Hören und Sehen verging. Ernst August von Hannover wurde so zum Beispiel demontiert. Verantwortlich für die kleinen, feinen Filme war Peter Rütten, Chefautor der Harald Schmidt Show und der einzige Mensch der Welt, dem man eine Parodie von Joseph Goebbels nicht übel nimmt. Rütten glänzte auch als Entertainer, der Mann kann singen und machte als „Kai Edel“ eine hervorragende Figur. Rütten ist immer noch Chefautor, aber was macht der Mann jetzt den ganzen Tag?

Und was macht eigentlich der CDU-Abgeordnete Dr. Udo Brömme? Die Kunstfigur des Autoren Ralf Kabelka führte uns ein in die Gedankenwelt bayerischer Stammtischler und christlich-sozialer Provinzfürsten – der Mann schaffte es sogar ans Rednerpult des Deutschen Bundestages und seinen Wahlslogan „Alte Leute weg von der Straße“ hielten einige Bürger für durchaus schlüssig. Könnte dieser Dr. Brömme nicht gerade jetzt so wahnsinnig viel für unser Land tun?

Wie gesagt: Natürlich ist Harald Schmidt immer noch der Größte, der Beste von allen, die Lichtgestalt, ach was: der Heilsbringer des deutschen Fernsehens. Noch einmal sieben Jahre reichen nicht, es müssen mehr werden. Und das kann Schmidt auch hinbekommen – ein bisschen Unterstützung könnte er allerdings ruhig wieder annehmen. War ja nicht alles schlecht früher. Manchmal sogar besser als heute. Oder? Absolut.

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