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Medien: Weggespült

Kanzler Schröder sagte den „Runden Tisch gegen Gewalt in den Medien“ ab

Von Joachim Huber

„Die Flut hat einen höheren Stellenwert in der Demoskopie“, sagt Jürgen Doetz. Der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Television (VPRT) war für den 29. August zu Bundeskanzler Gerhard Schröder gebeten worden. Zur konstituierenden Sitzung des „Runden Tisches gegen Gewalt in den Medien“ hatte Frank-Walter Steinmeier, Chef des Kanzleramtes, 23 Vertreter von Fernsehsendern, der Videospiel-Industrie sowie der Internet-Provider eingeladen. Das war am 15. August. Am 26. August, also drei Tage vor dem angepeilten Termin, sagte Steinmeier die Runde wieder ab: „Um die Folgen der Hochwasserkatastrophe möglichst schnell zu beheben, hat der Deutsche Bundestag für den gleichen Tag eine Sondersitzung einberufen, in der über die notwendigen Hilfeleistungen und deren Finanzierung entschieden werden soll. Hierzu wird der Bundeskanzler eine Regierungserklärung abgeben“, schrieb Steinmeier und fügte hinzu: „Sie werden verstehen, dass dieser Termin höchste Priorität hat.“

Nach dem Amoklauf von Erfurt hatten Anfang und Mitte Mai bereits zwei Gesprächsrunden der Fernseh- und Online-Vertreter mit Schröder stattgefunden. Ein „Runder Tisch“ war verabredet worden, am 29. August sollte seine dauerhafte Einrichtung fixiert werden. Dann kam das Wasser, die Pegelstände stiegen, und mit der Flut-Katastrophe wurde die bislang gültige Agenda der Themen weggespült. „Das Motiv ist weg“, sagt einer, dem abgesagt wurde. „Vor der Wahl ist mit Erfurt und den Folgen nicht mehr zu punkten.“ RTL-Sprecherin Ingrid Haas bedauert die Absage nicht: „Gewalt in den Medien ist ein so wichtiges Thema, dass es sachlich und unabhängig von politischen Drucksituationen besprochen werden muss.“ Die ARD-Spitze und ZDF-Intendant Markus Schächter zeigen „Verständnis für die Zeitproblematik“ des Kanzlers. Außerdem, so meint der ZDF-Chef, „macht ein Runder Tisch ohne Kanzler keinen Sinn. Das wäre der Tod des Runden Tisches.“ Was Schächter bedauern würde, denn jetzt habe dessen Zusammensetzung gestimmt: Bei den ersten beiden Runden seien die Fernsehleute und die Onliner getrennt gewesen, „was zu gegenseitigen Schuldzuweisungen geführt hat“. Für den Termin am 29. August sei diese Trennung „Gott sei dank“ aufgehoben gewesen. Schächter sieht übrigens bei Schröder wie bei Unionskandidat Edmund Stoiber ein hohes Interesse am Thema. Stoiber habe als Mitglied des ZDF-Verwaltungsrats die Gewaltproblematik in den Medien wieder und wieder angesprochen.

Das bestätigt auch Jürgen Doetz, gleichwohl der VPRT-Chef den Zweck zeitlich rasch aufeinander folgender „Runder Tische“ anzweifelt. „Wir haben bereits beim letzten Treffen eine Verschärfung des Jugendschutzes und eine Verstärkung der freiwilligen Selbstkontrolle des Privatfernsehens zugesagt.“ Die Wirkung dieser „positiven Maßnahmen“ hätte sich nicht bis zum 29. August eingestellt, sagt Doetz. Erst im nächsten Frühjahr könnten die ausgewertet werden. Beide, Schächter wie Doetz, glauben, dass weder vor dem Wahltermin am 22. September von Schröder noch in diesem Jahr von welchem Bundeskanzler auch immer ein „Runder Tisch zur Gewalt in den Medien“ einberufen werde. „Der Pulverdampf des Populismus hat sich verzogen“, sagt Jürgen Doetz, der als langjähriger VPRT-Präsident die Prominenz dieses Thema bei der Politik realistisch einschätzt.

Oder läuft es doch anders? Kanzleramts- Chef Steinmeier beteuerte bei der Absage des Treffens: „Dem Problem der medialen Gewaltdarstellung kommt eine überaus hohe gesellschaftliche und politische Bedeutung zu, dessen Lösung sich die Verantwortlichen aus dem Medienbereich gemeinsam mit Bund und Ländern angenommen haben.“ Der Bundeskanzler werde sich dem Thema so schnell wie möglich widmen „und in absehbarer Zeit erneut zur konstituierenden Sitzung einladen“. Das heißt: Für Steinmeier wird auch nach dem 22. September der Bundeskanzler Gerhard Schröder heißen.

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