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Medien: Wie eine kleine Uno

Ein Sender, 23 Sprachen: Zwei Multikulti-Veteranen werden 30

Von Caroline Fetscher

Wer die Flure von Radio Multikulti im Rundfunk Berlin Brandenburg entlangläuft, der kann sich fühlen wie in einer kleinen Uno. An jeder Tür steht der Name einer anderen Sprache. Hinter der Tür wird am Mikrofon Albanisch gesprochen oder Arabisch, Bosnisch oder Kurdisch, Persisch, Polnisch, Russisch, Serbisch, Schwedisch, Türkisch, Spanisch oder Vietnamesisch – 23 Sprachen insgesamt. Hier bietet ein öffentlich-rechtlicher Sender seinen Hörern aus der Region Außergewöhnliches: Programme in der eigenen Sprache. Anders als üblich. „Denn wir sind nicht nationalistisch oder chauvinistisch oder fundamentalistisch, wie leider viele der muttersprachlichen Medien für Ausländer hier. Wir sind in erster Linie Demokraten und Berliner“, erklärt mit Stolz in der Stimme der Leiter der türkischen Sendung, der promovierte Redakteur Cem Alaman, 39, der seit 16 Jahren dabei ist. „Wir interviewen Fatih Akin und diskutieren Sibel Kekillis Sex-Film-Vergangenheit, provokant und ohne Tabus.“

Am Sonnabend haben Alaman und seine Kollegen Grund zum Feiern im RBB-Saal. Sie laden zur Jubiläums-Party „Dreißig Jahre Türkische Redaktion und Forum Südosteuropa“. Es sind die beiden dienstältesten Redaktionen, die, damals beim SFB, als „Gastarbeiter-Radio“ für die erste Generation der Türken und Jugoslawen, die ohne deutsche Sprachkenntnisse in der Stadt ankamen, vor allem praktische Informationen ausstrahlten. Zehn Minuten am Tag, ab 6. Mai 1974. „Die Leute haben ihre Uhr nach der Sendung gestellt“, erklärt Cem Alaman. „Wir hatten ein Monopol.“ Und da es „Riesenresonanz“ gab, sagt er, wurde die Sendezeit auf eine halbe Stunde erhöht.

Inzwischen senden die türkischen und südosteuropäischen Programme auf der Frequenz FM 96,3 von 17 bis 18 Uhr auf Türkisch, danach jeweils eine Stunde auf Serbisch, Kroatisch und Bosnisch. Denn ein „jugoslawisches Radio“ gibt es nicht mehr. Die Sendung zerbrach mit den Zerfallskriegen unter Milosevic in drei Programme. Doch in der „kleinen Uno“ haben sie auf ihre Art wieder zueinander gefunden, das weiß auch Adrian Kostré, der das Forum Südosteuropa leitet. Dort sind die Redakteurinnen Begzada Kilian aus Bosnien – die oft zusätzlich auf Deutsch das Frühstücksradio moderiert – und Jasmina Njaradi, Moderatorin aus Serbien, allerbeste Kolleginnen. Gemeinsam halfen sie in den neunziger Jahren Flüchtlingen aus ihrem zerbrochenen Land, gemeinsam, auch mit den kroatischen Nachbarn eine Tür weiter, debattieren sie die aktuellen Entwicklungen und besuchen auch mal zusammen „jugo-nostalgische“ Konzerte.

Alle Sendungen sind „bewusst wortlastig“, erklärt Cem Alaman, dessen Sendung täglich etwa 10 000 Hörer erreicht. „Wir möchten Diskussionen anregen, kein Musiksender sein.“ So auch die serbische Sendung, für die etwa Jasmina Njaradi stets auf der Suche ist, nach aktuellen Interviews, am Telefon nach Belgrad oder ins Kosovo, und immer mit „dem demokratischem Grundgedanken, dass wir uns nur entwickeln können, mit klarem Blick auf uns selbst, hier wie dort“. Umso bedauerlicher ist es, dass alle Mitarbeiter trotz der Feier stets Sorgen haben: Geldsorgen. Das Budget beim RBB ist knapp bemessen, ja minimal, für diese außergewöhnliche und wichtige Stimme der neuen Generation von „Gastarbeitern“, die Berliner sind, und gleichwohl die Sprache ihrer Herkunft nicht vergessen wollen und sollten. Der RBB sollte sich bei seinen Glückwünschen daran erinnern.

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