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Medien: „Wie im Knast“

Zehn Frauen erleben in der „Bräuteschule“ Erziehungsmethoden von gestern

Eines vorneweg: „Die Bräuteschule 1958“ ist eine feine Sache, besonders für die Männer. Denn die spielen in der 16-teiligen ARD-Dokuserie überwiegend sympathische Nebenrollen, sind Kavalier und Hilfsbursche, Tanzpartner und -lehrer. Ein humorloser Schulrat und ein nicht sehr aufklärerischer Sexualkundelehrer haben lediglich kurze Auftritte. Unter einem Mann leiden müssen eigentlich nur die Hasen, denn die werden vor Ostern vom Hausmeister geschlachtet. Ansonsten machen sich bei den Bräuteschülerinnen vor allem Frauen unbeliebt.

Direktorin Barbara Dittrich, im echten Leben Hauswirtschaftslehrerin an der PH Schwäbisch-Gmünd, und drei Kolleginnen sollen die zehn „Fräuleins“ zwischen 18 und 24 Jahren in einem Schloss im Hunsrück zu patenten Hausfrauen und potenziell hingebungsvollen Müttern erziehen. „Auf die junge Frau in den fünfziger Jahren wartet harte Arbeit, Ordnung und Disziplin“, erklärt die Direktorin ihren Schülerinnen zum Einstand. Da wird noch über die muffige Kleidung und das ganze strenge Getue munter gekichert. Doch schon am Ende des ersten Tages flüstern die Frauen im dunklen Zimmer empört: „Das ist hier wie im Knast.“

Die fünfziger Jahre sind in diesem Format des TV-Genres „Living History/Lebendige Geschichte“ wahrlich kein Zuckerschlecken. Nostalgische Verklärung kann man Susanne Abel (Buch und Regie) und Carl-Ludwig Rettinger (Produktion und Dramaturgie) nicht vorwerfen. Pausen zwischen Schulunterricht und Haushaltsarbeit gibt es so gut wie keine. Widerworte sind nicht erwünscht. Die pädagogische Maxime von Direktorin Dittrich lautet: „Wir motivieren nicht, wir geben die Marschrichtung vor.“ Nur einmal in der Woche dürfen die jungen Frauen duschen oder baden; diese Beschränkung war damals eine Frage des Geldes. Dies einzuhalten, fällt den Teilnehmerinnen besonders schwer, ebenso wie das Rauchverbot. Abwechslung bietet allein das Tanzvergnügen in der Milchbar. Ein bisschen Rock’n’Roll, das passt schon zu den End-Fünfzigern.

Nun hat es zuletzt eine gewisse Renaissance konservativer Werte gegeben. Bernhard Buebs „Lob der Disziplin“ und Eva Hermans Tadel der Emanzipation („Das Eva-Prinzip“) haben sich prächtig verkauft. Die Versuchskaninchen der TV-Bräuteschule bilanzieren ihre Erfahrungen zwiespältig; einige Schülerinnen haben Benimmregeln, die klare Strukturierung des Alltags und das starke Gemeinschaftsgefühl schätzen gelernt. Zum Beispiel Julia, 24: „Welcher junge Mann hält dir heute noch die Tür auf? Schade! Ich denke, ein bisschen Bräuteschule würde jedem gut tun“, erklärte sie nach den Dreharbeiten. Allerdings genießt sie es nun „umso mehr, frei und unabhängig zu sein, Entscheidungen selbst zu treffen und eine eigene Meinung haben zu dürfen“.

Was also wird hier dokumentiert? Vor allem der enorme gesellschaftliche Wandel in den vergangenen 50 Jahren und ein wenig auch die Sehnsucht nach verloren gegangener Orientierung. Sicher auch ein Stück Alltagsgeschichte: Wie penibel damals der Haushalt geführt wurde. Wie sich Frauen und Männer zu benehmen hatten. Und die Rezepte für Krautwickel und Dampfnudeln gibt es nun im Internet bei daserste.de zum Herunterladen. Das wahre Leben an einer Bräuteschule von 1958 lässt sich jedoch nur in Ansätzen simulieren, denn die Menschen stammen ja aus der Gegenwart. Gezüchtigt, wie es damals wohl vorgekommen ist, wird natürlich niemand. Das ginge denn doch zu weit.

Es gehört aber zum Konzept solcher „Living History“-Formate, die an der Zeitreise Beteiligten bis an ihre persönlichen Grenzen zu führen. Interessanterweise gilt das nicht nur für die Schülerinnen. Direktorin Dittrich merkt man schnell an, dass sie sich in der nur-autoritären Rolle nicht recht wohl fühlt – zumal ihre Tochter Hannah, 18, unter den Schülerinnen ist. In der dritten Folge „Der Zusammenbruch“ (11. Januar) werden Hannah und eine andere Schülerin abgeordnet, um sich über das strenge Regiment im Hause zu beschweren. Am Ende brechen alle in Tränen aus, die Direktorin und Mutter allerdings erst, als die beiden Schülerinnen den Raum verlassen haben. Sie hält gegenüber der Tochter die Rolle durch, kann ihre Emotionen vor der Kamera aber nicht mehr verbergen – eine etwas aufdringliche Szene, die aber einprägsam zeigt, was der Erziehungsdrill ist: eine Methode von gestern.

„Die Bräuteschule 1958“,

ARD, 18 Uhr 50, immer dienstags

bis donnerstags

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