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Medien: „Wir machen Fernsehen mit dem kindlichen Blick“

Aiman Abdallah moderiert „Galileo“ bei Pro 7. Das Wissensmagazin setzt auf den Aha-Effekt und der Moderator auf seine grauen Schläfen

Herr Abdallah, Sie moderieren seit 1998 „Galileo“. Eine kleine Ewigkeit nach den Maßstäben des Privatfernsehens.

Ich muss zugeben, dass mich das auch manchmal überrascht. Sieben Jahre sind wirklich eine lange Zeit.

Sie sind Dienstältester bei Pro 7.

Die Magazine „taff“ und „SAM“ sind noch ein bisschen länger on Air als „Galileo“, aber ansonsten haben Sie Recht. Und mit 41 kann man den Titel des „Dienstältesten“ ja durchaus noch als Kompliment nehmen.

Erreichen Sie als denn noch Ihre Zielgruppe, die 14- bis 49-Jährigen?

Ich habe das ganz große Glück, dass im Genre Wissens-TV Seriosität gefragt ist. Da kommt ein gewisses Alter ganz gut an. Mit unseren „Galileo-Specials“ sprechen wir außerdem ein Publikum an, das jenseits der Dreißig liegt. Die stehen ohnehin auf graue Schläfen.

Was ist das eigentlich, Wissens-TV?

Wir haben diesen Begriff geprägt, weil wir uns von Sendungen, die vor uns Themen aus der Wissenschaft behandelt haben, abgrenzen wollten. Wir wollten und wollen über alles berichten, was uns wissenswert erscheint, ohne die Konzentration auf strenge Wissenschaft. Wir erlauben uns, alle Themen dieser Welt aufzugreifen. Denn das Universum des Wissens ist grenzenlos.

Müssen wir wirklich wissen, dass in sieben Jahren „Galileo“ nur knapp 90 Gramm Schminke auf Ihrem Gesicht verarbeitet wurden, wie uns das Presseheft zu „Galileo“ verrät?

Sicherlich nicht unbedingt. Aber ob Sie es glauben oder nicht, es gibt Menschen, die auch so etwas interessiert.

Sie setzen ganz bewusst auf volkstümliche Themen.

Wir wollen und müssen populär sein, das ist keine Frage. Aber wir setzen vor allem auf den Aha-Effekt.

Aha, es geht Ihnen also um Erstaunen und Begreifen?

Genau. Staunen, Unterhalten, Begreifen.

Sie sind an fünf Tagen der Woche auf Sendung. Ein Fulltimeknochenjob?

Ja, das kann man sagen. Zumal wir an vier Tagen live senden. Ich bin immer dabei, wenn die Sendungen geplant werden oder zum Beispiel Live-Aktionen abgesprochen werden, die ich im Studio präsentiere. Dazu kommen noch die Specials, bei denen ich vor Ort recherchiere. Dieses Jahr wird es mehrere davon geben. Da kommt ganz schön was zusammen.

Womanizer oder smart guy – haben Sie eine Idee davon, wie der Zuschauer Sie sieht?

Wenn die Zuschauer mir Glaubwürdigkeit bescheinigen, dann bin ich hochzufrieden.

Wollen Sie den Zuschauer belehren?

Auf keinen Fall. Nichts wäre fataler, als den Zuschauer von oben herab zu behandeln. Ich würde zum Beispiel nie sagen, dieses oder jenes lernen Sie jetzt bei uns. Ich bin ja nicht der Lehrer der Nation. Ich sehe mich als Bindeglied zwischen Fernsehen und Zuschauer.

Live zu senden ist immer ein Risiko. Oder ist das der besondere Kitzel, den Sie brauchen?

Wir möchten aktuell reagieren können. Ich finde live auch deshalb so gut, weil diese Sendungen besonders viel Charme haben. Ich habe dabei das Gefühl, sozusagen ohne Filter mit dem Zuschauer zu sprechen. Ich stelle mir dann vor, ich rede direkt mit den Menschen in ihren Wohnzimmern oder Küchen. Aufzeichnungen mit ihren Proben und Veränderungen haben einen ganz anderen Charakter.

Sie wirken immer sehr ruhig. Als stünden sie felsenfest auf dem Boden von „Galileo“.

Die Sendung macht mir viel Spaß, und ich bin, gerade was Studioaktionen betrifft, sehr experimentierfreudig. Aber ich möchte mich auf keinen Fall zum Kasper machen. Deshalb lasse ich mir zum Beispiel nur sehr ungern Kappen und Ähnliches aufsetzen.

Kümmern Sie sich auch um die unerfreulichen Seiten des Lebens?

Aber sicher. Von der Pest bis zur Vogelgrippe. Auch das will ja erklärt sein. Aber wir wollen den Zuschauer am Vorabend nicht zu sehr belasten.

Gibt es Dinge, die selbst Sie nicht begreifen?

Die gibt es. Ich bin ein Technikfreak. Und finde es zum Beispiel unbegreiflich, dass so unglaublich viele Informationen auf so einen kleinen Speicherchip passen.

Haben Sie uns auch schon Dinge erklärt, die Sie selbst nicht begriffen hatten?

Ich lasse mir alles so lange erklären, bis ich es verstehe. Erst dann gehe ich vor die Kamera. Unsere Maxime bei „Galileo“ ist: Alles muss so erklärt werden, dass ein Zwölfjähriger es begreifen kann. Das ist ein hoher Anspruch, zumal es sich nicht immer um simple Dinge handelt. Aber es geht. Vielleicht haben wir gerade deshalb so viele Kinder als begeisterte Zuschauer.

„Galileo“, das Kinderfernsehen?

Ich würde eher sagen: das Familienfernsehen. Wir machen „Fernsehen mit dem kindlichen Blick“. Für einen Erwachsenen ist eine Baustelle eine Baustelle. Ein Kind sieht einen Bagger, einen Kran, einen Bauarbeiter mit gelbem Helm und, und, und – viele kleine Einzelheiten also. Diese Perspektive macht einfach unglaublich viel Spaß.

Wie ist Ihr Kontakt zu den Herren Wissenschaftlern?

Immer besser. Es ist zwar immer noch nicht so, dass Wissenschaftler in Massen auf uns zukommen, um uns ihre neuesten Erkenntnisse mitzuteilen – sie arbeiten aber gerne mit uns zusammen. Viele haben inzwischen von uns gehört. Das war am Anfang logischerweise ganz anders.

Lange war Galileo 35 Minuten lang, jetzt senden Sie eine Stunde. Endlich Zeit genug, um uns die ganze Welt zu erklären?

Es ist das alte „Galileo“ plus das neue „Galileo“. Wir haben ein paar neue Rubriken eingeführt, zum Beispiel unseren Gerätetest „TechCheck“. Und wir haben jetzt endlich mehr Zeit für Experimente. Darüber freue ich mich ganz besonders.

Kommen Sie überhaupt noch nach Hause bei so viel Arbeit?

Ich habe ja jede Menge Mitarbeiter. In der „Galileo“-Redaktion und Produktion arbeiten 53 Menschen, außerdem haben wir Rechercheure, die in der ganzen Woche für uns unterwegs sind. Natürlich ist es mehr Arbeit als früher. Aber ich finde es einfach schön, neue Grenzen zu entdecken. Und wo es geht, sie zu sprengen.

Der Promi-Check, den Sie auch im Programm haben, sprengt sicher keine Grenzen. Brauchen Sie so etwas wirklich?

Er ist ein Farbtupfer, der vielen Zuschauern gefällt.

Ist „Galileo“ vielleicht auch deshalb so erfolgreich, weil Sie den Damen so gut gefallen?

Ich habe nichts gegen diese Theorie einzuwenden. Aber ich kann Ihnen leider nicht sagen, ob sie stimmt. Natürlich hoffe ich, dass Frauen mich mögen. Ich hoffe aber auch, dass Männer mich nicht für einen abgehobenen Fernsehschnösel halten, sondern erkennen, dass ich einer von ihnen bin. Mein großes Glück ist, dass ich bei „Galileo“ so sein darf, wie ich bin.

Es gibt im Fernsehen mehr als 20 Sendungen, die sich mit Wissen beschäftigen. Werden die Deutschen immer klüger?

Es gibt immer mehr Menschen, die immer mehr wissen.

Hilft uns das irgendwie weiter?

Gegenfrage: Schadet uns das? Ich würde sagen, das Schöne ist, dass die Deutschen sich inzwischen trauen, ihre Neugier auszuleben und offen für Neues zu sein. Wer neugierig ist, ist offen für das Leben mit all seinen Facetten. Und das ist doch das Beste, was einem Menschen passieren kann!

Sind Sie jeden Tag aufs Neue neugierig auf Neues?

Ja, natürlich.

Fernsehen mache dumm, hört man. Was sagen Sie jetzt?

Fragen Sie doch einfach mal in ein paar Schulen nach. Ich höre immer wieder von Lehrern, deren Schüler sagen, das oder das habe ich schon bei „Galileo“ gesehen. Und, was sagen Sie jetzt?

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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