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Medien: Wirklich wichtig ist die Frauenfreundschaft

Warum „Sex and the City“ tatsächlich gesehen wird: Die Serie im Praxistest ihrer Zuschauerinnen

Auf der Pro-7-Webseite zu „Sex and the City“ gibt es eine Umfrage: „Redest du mit deinen Freundinnen auch so offen über Sex und Männer?“, lautet die Frage, die dort gestellt wird. Fast die Hälfte aller Teilnehmer haben bisher geantwortet: „Klar! Brüste, Penis, Fellatio – alles kein Problem.“

„Sex and the City“ – der Name legt es nahe – gilt als die Serie, in der Frauen so freizügig über Sex reden, wie nie zuvor im Fernsehen. 82 Folgen aus sechs Staffeln waren im deutschen Fernsehen bisher zu sehen, die letzten zwölf der sechsten und letzten Staffel beginnen am morgigen Dienstag. Mit dem Erfolg der Serie haben sich Mythen um ihre Zuschauer gerankt: Frauen. Sie treffen sich in Gruppen, um „Sex and the City“ zu sehen. Sie trinken dabei „Cosmopolitan“, knabbern an Salzstangen, lästern über Männer und reden offenherzig über Sex. Aber tun sie’s auch wirklich? Eine Serie im Praxistest.

Es ist gar nicht so einfach, Frauen zu finden, die sich „SatC“ gemeinsam anschauen. Wo sind sie? In Fanclubs? „Ich glaube, Frauen, die die Serie mögen, gründen nicht unbedingt einen Fanclub - sie sind um die dreißig, und da ist man aus dem Alter raus“, sagt Kristin. Kristin und Christiane sind selbst Großstädterinnen in den „thirty somethings“, genau wie Carrie, Miranda, Samantha und Charlotte aus der Serie. Die beiden Journalistinnen verfolgen „Sex and the City“ seit Beginn der deutschen Ausstrahlung; sie haben alle Staffeln gesehen, besitzen Bücher zur Serie und Kaufvideos. Sie treffen sich, um sich die Serie zu zweit anzusehen. „Aber mein schwuler Kollege wäre eigentlich auch gern gekommen“, so Kristin.

Gleich zu Beginn einer neuen Folge sieht man die New Yorkerinnen zusammen Mittag essen. „Ein gemeinsames Treffen von allen vier gibt es in jeder Folge, das ist so ein Standardelement“, sagt Christiane. „Das ist schon unrealistisch: In der Serie arbeiten die Figuren fast nie, aber sie haben immer Geld“, sagt Kristin. „In unserem Freundinnenkreis sind alle berufstätig, und deswegen schaffen wir es fast nie, uns alle gemeinsam zu treffen.“ Auch nicht zu einem „SatC“-Abend? „Nein, normalerweise guckt jeder für sich. Aber in den Tagen danach reden alle drüber – das ist ein Gemeinschaftserlebnis.“

Auf dem Bildschirm zieht Carrie einen Flunsch. Sie ist sauer, weil sie auf der Party für ein neugeborenes Baby ihre Schuhe ausziehen musste – brandneue Manolo Blahniks –, die ihr prompt geklaut worden sind. „Sie haben 485 Dollar gekostet.“ Carrie ist den Tränen nahe. Kristin und Christiane ziehen lachend die Augenbrauen hoch und rollen mit den Augen. „Ich hätte zwar nichts gegen ein Paar Manolo Blahniks“, sagt Kristin, „aber zur S-Bahn laufen wollte ich damit nicht“. Das Ja zum schnöden Geld, ist diese in der Serie offen gezeigte Haltung ein Kritikpunkt, oder ist es gut, dass gezeigt wird, wie man selbst denkt? „Das Gute an der Serie ist, dass die übertrieben materialistische Haltung ironisch gebrochen wird: Ein bisschen identifiziert man sich mit den Figuren, ein bisschen macht man sich über sie lustig“, meint Christiane.

Samantha bemüht sich derweil um Einlass in einen angesagten Pool. Sie trägt Ohrringe, die kaum kleiner sind als Tennisbälle. „Das ist ja furchtbar“, sagt Kristin. Dann sieht man Carrie mit herausgewachsenem Haaransatz durch die Straßen laufen, und auch damit können die Berlinerinnen nichts anfangen. Ganz untypische Reaktionen: „Die Serie ist aufwändig ausgestattet, sie ist sehr ästhetisch gemacht, und der Modestil ist normalerweise ungewöhnlich gut“, sagt Christiane. „Das ist einer Hauptgründe für mich, sie zu sehen.“ „Ja, obwohl wir uns in Sachen Mode nicht direkt Anregungen von dort holen - aber Einkaufen gehen wir schon gerne.“ Auf ihrem Flur hat Kristin ein Schild, das man an die Wohnungstür hängen kann: „Gone shopping“.

„Das ist doch eine Superszene“, kommentiert Christiane. Miranda aus der Serie hat einen tollen Mann getroffen, den sie bei einem Basketballspiel wiedersieht. Sie will ihn ansprechen, doch da umarmt er eine blonde Cheerleaderin. Verunsichert dreht Miranda sich wieder um und geht. „Diese vier Frauen haben sonst ihr Leben sicher in der Hand – aber was Männer angeht, sind sie bei aller Freizügigkeit doch auch unsicher – so wie man es selbst ist.“ Und Kristin: „SatC zeigt erwachsene Frauen, die schon enttäuscht worden sind: Die Serie kann ganz schön zynisch sein.“ Kommt es also weniger auf die sexuelle Freizügigkeit an, als auf die Ehrlichkeit, mit der die Serie alle Varianten des geplatzten Traums von der großen Liebe durchspielt? „Wir reden nie so über Sex wie in der Serie“, so Kristin. „Das wirklich Wichtige an SatC ist die Frauenfreundschaft – und dass gezeigt wird, dass man als Single nicht verbittert und einsam sein muss.“

Was also bleibt vom Mythos der freizügigen Frauenhorden, die „Sex and the City“ sehen? Zwei Frauen, die sich die Serie ansehen, um gut unterhalten zu werden, und nicht, um über Sex zu reden. Sie trinken Wasser statt „Cosmopolitan“.

„Sex and the City“: Pro 7 startet die finalen zwölf Folgen am Dienstag um 21 Uhr 15.

Juliane Schröter

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