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Medien: Wo Brad Pitt nach Haien taucht

Viva 2 sollte "die Alternative" zum Muttersender Viva sein. Viva 2 bediente ältere Musikfans mit Rock, Techno, Underground und jeglicher Art von elektronischer Musik.

Viva 2 sollte "die Alternative" zum Muttersender Viva sein. Viva 2 bediente ältere Musikfans mit Rock, Techno, Underground und jeglicher Art von elektronischer Musik. "Anders zu sein ist das Normalste der Welt. Mainstream ist Ansichtssache", hieß das Motto des Senders Viva 2. Doch nun hat die Viva Media AG eine Alternative für die Alternative gefunden: Viva Plus. Der neue Musikkanal wird auf denselben Kabel- und Satellitenfrequenzen wie Viva 2 laufen und soll in den deutschsprachigen Ländern von 30 Millionen Haushalten zu empfangen sein. Rund 60 Mitarbeiter werden sich um Viva Plus kümmern. Geschäftsführer von Viva Plus ist Dominik Kaiser. Der 32-jährige Schweizer war zuletzt für das Techno-Fest "Street Parade" in Zürich verantwortlich.

Viva Plus geht heute um 13 Uhr auf Sendung - und wird sich vornehmlich an den Musik-Charts orientieren. Die Fehler von Viva 2 - zu wenige Fans, zu geringe Werbeeinnahmen - sollen sich nicht wiederholen. Trotz der Rückbesinnung auf Populär-Musik soll Viva Plus anders sein als alle anderen Musiksender. Dominik Kaiser spricht vom "CNN des Musikfernsehens". Rund um die Uhr sollen die Zuschauer - Hauptzielgruppe sind die 14- bis 29-Jährigen - mit Musiknews aus der ganzen Welt gelockt werden.

Wie das funktionieren könnte, beschreibt Kaiser beschreibt so: "Viva ist warm und lieb. Da kommen die Stars ins Studio. Viva Plus ist das Gegenteil. Wir gehen zu den Stars - sind wilder und verrückter." Dafür sollen die Moderatoren, die so genannten VJs (Video Jockeys), sorgen, die sich täglich aus den "Popmetropolen" der Welt melden. Die 25-jährige Simon Bergetze zum Beispiel überredete den Schauspieler Brad Pitt zum Hai-Tauchen und die Band "Crazy Town" zum Fallschirmspringen.

Bis jetzt wurden Los Angeles, London, Berlin und Hamburg zu Popmetropolen erkoren; weitere Städte sollen hinzukommen. Zentrum wird jedoch Köln bleiben. Genau wie bei Nachrichtensendern werden Laufbänder über den Bildschirm flimmern, die über die wichtigsten News aus der Popwelt informieren. Zudem wird es nachmittags jeweils zur vollen Stunde Nachrichtenblöcke geben. Auch Kaiser ist sich bewusst, dass damit eine Kompetenz vorgetäuscht wird, die Viva Plus gar nicht hat: "Das CNN bezieht sich mehr auf das Design als auf den Inhalt." Die Orientierung an dem Nachrichtensender hat vor allem etwas mit dem neuen Partner AOL Time Warner zu tun. Der größte Medienkonzern der Welt ist mit 49 Prozent an Viva Plus beteiligt. Und CNN ist ein Teil von AOL Time Warner, ebenso der Internet-Provider AOL und die Plattenfirma Warner Music. Da werden gegenseitige Verweise nicht unterbleiben.

Der neuer Musikkanal soll, wenn die Kabeltechnologie so weit ist, endlich einlösen, was Gorny seit Jahren verspricht: die Verschmelzung von Fernsehen und Internet. Am Anfang wird jedoch nur Altbewährtes angeboten: E-Mails und SMS-Nachrichten verschicken, die als Grüße in der Sendung eingeblendet werden, Charts via Internet mitbestimmen oder Live-Chats mit den Künstlern. Bob Pittman von AOL Time Warner und Dieter Gorny, Chef der Viva Media AG, haben noch mehr vor: Sie sehen Viva Plus als "interaktives Experimentierlabor" (Gorny), in dem das Verhalten der Zielgruppe im Zusammenspiel mit Internet und Fernsehen getestet wird. "Das Musikfernsehen der Zukunft wird eine Mischung sein aus Playstation II, Napster, Viva, MTV und CNN", glaubt Gorny.

1993 gründete er den deutschen Musiksender Viva, zwei Jahre später folgte Viva 2. In Deutschland liefern sich die Viva-Programme und die Konkurrenzkanäle von MTV ein verbissenes Quotenrennen. Mal hatte Viva die Nase vorn, dann MTV und im Sommer 2001 wieder Viva, mit täglich 4,79 Millionen Zuschauern. Auch das Tochterprogramm von MTV erlitt das Viva-2-Schicksal: VH-1 wurde im Mai 2001 zu MTV Pop für die Zehn- bis 19-Jährigen. Zu der neuen Konkurrenz durch Viva Plus wollte sich MTV nicht äußern.

Die Neukonfektionierung dieser Zweitsender wird von den kleinen Platten-Labels mit Bestürzung aufgenommen. Sie sehen kaum noch eine Chance, dass ihre Musikvideos bei Viva Plus oder MTV Pop gesendet werden. Das ist aber die wichtigste Voraussetzung, um in die Charts zu kommen - und somit gute Verkäufe zu erzielen. Über 80 Prozent der Videos wird von den Musikkanälen direkt aussortiert. Nur wer mit dem Image des Senders, den Qualitätsstandards und der Zielgruppe vereinbar ist und dem richtigen Label angehört, kommt auf die Playlist. Die Musik der eigenen Werbepartner wird bevorzugt. Für Independent Labels, die kleinen, eigenständigen Plattenfirmen, war das Konzept von Viva 2 ideal. Es wurden auch Videos gezeigt, die nur "den Redakteuren/Moderatoren selbst gefallen". Gundula Schneider von der Berliner Plattenfirma Cityslang findet es "traurig", dass Viva 2 eingestellt wird. Zu ihren Bands gehören "Calexico" und "To Rococo Rot". Schneider erwartet "eine dramatische Wendung in unserer Promotionarbeit. Ein wichtiger Teil fällt jetzt weg oder ist nur sehr eingeschränkt noch vorhanden", und sie fügt hinzu, "jetzt müssen wir bei manchen Bands die Entscheidung fällen, ob wir überhaupt noch Videos produzieren." Für die Produktmanagerin geht es den Sendern viel zu selten um die Musik, sondern nur noch darum, Marketingkonzepte zu liefern.

Von Viva 2 werden lediglich die Sendungen "Fast Forward", moderiert von Charlotte Roche, und "2 Step" übernommen - bei Viva. Schneider glaubt, dass sich jetzt alle Independent Labels auf die beiden Sendungen stürzen werden. Und nicht nur sie stehen dem neuen Sender skeptisch gegenüber. Das Musikportal popkomm.de kommentierte die Gründung von Viva Plus so: "Das Beiboot ist versenkt, es lebe der Unterhaltungsdampfer."

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