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Meine Frau, ihr GARTEN…und ich: Wisteria, die alte Würgerin

Natürlich war es naiv anzunehmen, man könnte sich dem Lauf der Welt irgendwie entgegenstemmen.

Von Andreas Austilat

Ich habe es schon mal gesagt, der Garten ist kein Paradies, sondern Kampf, und wir können von Glück sagen, dass wir es nicht immer mitkriegen. Man stelle sich vor, die Rispenhortensie könnte um Hilfe rufen oder unsere Tomaten, wenn ihnen ein Schädling zu Leibe rückt, wäre das ein Zeter und Mordio da draußen. Man hätte ja keine ruhige Minute mehr.

Nun, der Rispenhortensie hätte lautes Schimpfen auch nichts genutzt, wir waren im Urlaub. Keiner hat ihren Todeskampf mitgekriegt, wie sie in den letzten heißen Wochen einfach vertrocknete – trotz der ausgeklügelten Bewässerungstechnik, die meine Frau da zusammengezimmert hatte. Konnte ja keiner ahnen, dass es hier derart extrem zugehen würde. Am meisten reut es mich aber um die Birke. Was ein wenig seltsam ist, weil die Birke doch schon vor vier Jahren starb. Oder sind es jetzt fünf?

Die Birke war einer meiner großen Lieblinge, mit ihrem zartgrünen Maiengrün, der lichten Rindenfarbe und ihren hängenden Zweigen. Es handelte sich dem Vernehmen nach um eine Yongii, eine kleine Trauerbirke, sie stammte von unserer Vorbesitzerin.

Eines Tages ließ der Baum die Zweige noch ein wenig mehr hängen als sonst, und dann war es auch mit dem zarten Maiengrün vorbei, da kam nichts mehr. War das traurig. In diesem Moment der Schwäche stimmte ich also einem Vorschlag meiner Frau zu, die eine Wisteria, auch Blauregen genannt, am Stumpf der Birke emporranken lassen wollte, um ihr so zu neuem Grün zu verhelfen.

Ich stehe der Wisteria ein wenig misstrauisch gegenüber, weil sie der aggressivste Würger in mitteleuropäischen Gärten ist, im Ruf steht, selbst Dachrinnen zerquetschen zu können. Aber schön, die Birke stand ja weit genug weg vom Haus.

Tatsächlich war die Illusion schon bald perfekt. Zwar blühte die Wisteria nie wie versprochen blau, das kommt noch, pflegte meine Frau dann zu behaupten. Kann bis zu acht Jahre dauern. Dafür wucherte sie derart üppig in die Höhe, dass die Birke in diesem Jahr schon wieder aussah wie lebendig. War sie aber nicht.

Der Stamm ist in unserer Abwesenheit einfach kollabiert. Freundlicherweise ohne großen Schaden anzurichten, er ist in drei Teilen in sich zusammengeklappt, und über allem liegt jetzt ein großer Haufen Wisteria. Wobei das gierige Gestrüpp seine Spitzen schon nach anderen potenziellen Trägern ausstreckt, dem Zaun, dem Flieder, der Gartenhütte. Beängstigend, wie schnell das geht.

Es muss also rasch etwas geschehen. Mir wird nichts anderes übrigbleiben, als die morschen Trümmer meiner geliebten Birke zu zersägen – und die Wisteria gleich mit. Meine Güte, wird das eine Schinderei. Wären wir doch bloß im Urlaub geblieben.

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