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Honigbienen

© dpa

Mit Insekten auf Streife: Wie Bienen bei der Drogenfahndung helfen könnten

Bienen sollen in Zukunft mit der Polizei Drogen aufspüren. So der Vorschlag einer jungen Kommissarin. Forschung gibt es dazu bereits.

Von Markus Lücker

Als hätten Bienen noch nicht genug damit zu tun, Pflanzen zu bestäuben, könnte bald ein weiteres Arbeitsfeld auf die Insekten zukommen: polizeiliche Drogenkontrollen. Das prognostiziert Sonja Kessler, 22-jährige Kommissarin aus Köln. Vorteil gegenüber dem klassischen Spürhund seien „die geringeren Kosten, die längere Einsatzdauer und die schnellere Konditionierung“, sagt die Imkerin. Während Hunde nach 20 Minuten eine Pause bräuchten, könnten Bienen bis zu 48 Stunden durcharbeiten.

Kesslers Theorie hat bereits große Aufmerksamkeit in Sicherheitskreisen erregt. Im Februar wurde ihre Bachelorarbeit zu den Rauschgift-Bienen auf dem europäischen Polizeikongress mit dem „Zukunftspreis Polizeiarbeit“ ausgezeichnet. Für den Text trug sie Forschungsergebnisse dazu zusammen, wie sich die Insekten trainieren lassen. Jetzt hat auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) diese Erkenntnisse aufgegriffen. Das Urteil der Gewerkschaft: Es handele sich um eine „mögliche Revolution für die Polizeiarbeit“.

Eine Form der Bienenausbildung funktioniert dabei über schwache Stromstöße – angeblich nicht gefährlich für das Tier, aber unangenehm. Dafür wird die Biene in einen kleinen, flachen Kasten gesperrt. Anschließend wird von einer Seite der Duft der gewünschten Droge in den Aufbau geleitet und die jeweilige Seite unter Strom gesetzt. Im Kopf der Biene verbindet sich dadurch der Geruch mit einem Gefühl von Bedrohung. Als Reaktion versucht sie von nun an zu fliehen oder streckt ihren Stachel hervor, sobald sie in die Nähe der Droge kommt.

Die Idee geht auf die Forschung des LOEWE-Zentrum für Insektenbiotechnologie an der Universität Gießen zurück. Hier wird bereits seit Jahren zum Geruchssinn der Biene gearbeitet. „Der ist so genau, dass es um die Erkennung einzelner Moleküle geht“, erklärt der Leiter des Instituts, Andreas Vilcinskas. Die Technik könne an Flughäfen zum Einsatz kommen. Der Prozedere liefe ähnlich wie bei der Konditionierung ab: Eine Maschine saugt Luft aus den Koffern und setzt diese den Bienen vor, die in ihren Kästen warten. Zeigen sich die Insekten gereizt, befinden wahrscheinlich illegale Substanzen in dem Gepäckstück.

Vorteil der Bienen: Flexibilität

Vilcinskas sieht noch einen weiteren Vorteil der Bienen: Flexibilität. Während die Ausbildung von Hunden mehrere Monate dauere, brauche es für die Konditionierung der Insekten nur wenige Minuten. Es wäre also schnell für frisches Tier-Personal gesorgt, das jeweils an neue Entwicklungen auf dem Drogenmarkt angepasst ist.

Welche Bedeutung das haben kann, zeige sich gerade in den USA. Seitdem dort in immer mehr Staaten der Konsum von Marihuana legalisiert wird, herrscht bei den Sicherheitskräften Verunsicherung. Bisher haben die ihre Hunde meist so ausgebildet, dass die Tiere auf eine ganze Drogenpalette anspringen – von Heroin über Cannabis bis Ecstasy. Nachträglich kann dieses Verhalten kaum mehr abtrainiert werden.

Kippt nun das Marihuana-Verbot in einem Bundesstaat, wird die Zehntausende Dollar teure Ausbildung der dortigen Hunde nahezu wertlos. Denn würden die Hunde nach einer Legalisierung weiter eingesetzt, wären zahlreiche Durchsuchungen von dann Unschuldigen die Folge. Juristisch würde das zu massiven Problemen führen, wie jüngst auch der Oberste Gerichtshof im Bundestaat Colorado befand.

Die New York State Police hat sicherheitshalber bereits Marihuana aus dem Ausbildungsprogramm ihrer Spürhunde gestrichen, wie die Zeitung „USA Today“ berichtet. Dabei steht noch gar nicht fest, wann und ob die Droge in New York legalisiert wird. Doch überwiegt scheinbar die Angst, dutzende Tiere in den vorzeitigen Ruhestand schicken zu müssen.

Bedenken wegen der kurzen Lebenszeit

Ein ähnlicher Konflikt wie in den USA ist auch für Deutschland vorstellbar, sollte sich hier ebenfalls irgendwann die Legalisierung von Cannabis durchsetzen. Bis dahin wäre Zeit, um weiter an den Bienen zu forschen. Aktuell fehlten dafür jedoch die Gelder, erläutert Vilcinskas. Zumindest in Gießen sei die Förderung für die Drogenbienen bereits vor Jahren ausgelaufen. Er begrüße es, dass die Arbeit des Zentrums bei der Polizei auf Anklang stoße, „aber dann muss auch ein Entscheider Finanzmittel in die Hand nehmen und das umsetzen.“ Momentan nutze sein Team die Erkenntnisse in anderen Feldern wie der Pestizidforschung und dem Pflanzenschutz.

Auch Kaspar Bienefeld, Direktor des Länderinstituts für Bienenkunde in Brandenburg, sieht das Potenzial der Konditionierung. Allerdings hat er Bedenken wegen der kurzen Lebenszeit des Tieres. Die Biene wachse heran und sei dann theoretisch nur für einen Zeitraum von drei Wochen in der Lage, tatsächlich nach Drogen zu suchen. „Zusätzlich wirkt sich die Arbeit und die Konditionierung nicht unbedingt positiv auf die Lebenserwartung aus“, sagt Bienefeld. Dadurch bestehe ein ständiger Bedarf nach neuen Tieren. Dieses logistische Problem sei auch einer der Gründe, warum die Forscher mit Bienen anstatt beispielsweise mit Hummeln arbeiten würden. Ein Bienenvolk sei relativ leicht zu halten und könne Zehntausende Tiere umfassen. Bei Hummeln sind es nur einige Hundert.

Ehe Beamte mit den Insekten auf Streife gehen, müssten zudem rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie Kommissarin Kessler betont. Wie könne eine Biene vor Gericht als Beweismittel zugelassen werden? Und ganz wichtig: Was passiert, „wenn eine Biene jemanden sticht und somit eine Person eine Verletzung erleidet?“ Auf solche Fragen müsse erst noch eine Antwort gefunden werden.

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