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Panorama: Alles für die Sicherheit

Wenn es früher nach Gas gerochen hat aus dem Chemieraum in der Schule, hat sich keiner groß Gedanken gemacht: Wo es um Chemie geht, stinkt es halt. Spätestens seit den furchtbaren Ereignissen in Erfurt jedoch ist es vorbei mit der Gleichgültigkeit, einerseits.

Wenn es früher nach Gas gerochen hat aus dem Chemieraum in der Schule, hat sich keiner groß Gedanken gemacht: Wo es um Chemie geht, stinkt es halt. Spätestens seit den furchtbaren Ereignissen in Erfurt jedoch ist es vorbei mit der Gleichgültigkeit, einerseits. Schüler und Lehrer sind wachsamer geworden. Andererseits ist manchmal die Grenze zur Hysterie nicht weit. Die ohnehin an jeder Schule vorhandene Unruhe verstärkt sich in diesen Tagen noch durch ein bekanntes Phänomen: eine Tat wie die in Erfurt ruft Nachahmer auf den Plan.

Zum Thema Fotostrecke: Trauer und Fassungslosigkeit in Erfurt Online Spezial: Amoklauf in Erfurt In Essen ist es vorgestern allein der Aufmerksamkeit einer Lehrerin zur verdanken gewesen, dass es in einer dortigen Schule nicht zu einer Explosion kam. Ein offenbar selbstmordgefährdeter Schüler hatte in der Nacht zum Mittwoch den Gashahn im Labor geöffnet. Die am Feiertag eher zufällig im Gebäude anwesende Lehrerin konnte das Schlimmste verhindern. Bei der Durchsuchung der Schülerwohnung wurde von der Essener Polizei ein ganzes Lager mit Chemikalien sichergestellt. Die Anklage des Jugendrichters lautet auf versuchten Mord und versuchter Herbeiführung einer Explosion. Auch in Bayern ist es zu mehreren Festnahmen gekommen, deren Hintergründe noch nicht völlig geklärt sind. Die Polizei hat es nicht leicht, zwischen den so genannten Trittbrettfahrern und anderen Tätern zu unterscheiden, deren demonstrierte Entschlossenheit tatsächlich zu einem Verbrechen ungeahnten Ausmaßes führen kann. In Bayern ist man nach dem gerade erst gut zwei Monate zurückliegenden Attentat an einer Wirtschaftsschule in Freising, erheblich sensibilisiert, wenn es um die Ankündigung von Gewalt geht. Damals hatte - allerdings ohne Vorwarnung - ein ehemaliger Schüler der Freisinger Schule zuerst einen Vorarbeiter und seinen Ex-Chef getötet, um dann den Schulleiter zu erschießen, eine Rohrbombe zu zünden und sich schließlich selber zu töten. Eine der Münchner Vorwarnungen kam per Sammel-SMS. Sie stammte von einem 18-jährigen Berufsschüler aus Germering, der in der Münchner Au eine Berufsschule für Bäcker besucht: "Was in Erfurt passiert ist, finde ich nicht schlecht. Wird auch an meiner Schule so sein und schlimmer", schrieb Michael S.. Eine Freundin alarmiert sofort die Polizei, die zunächst im Umfeld des Verdächtigen ermittelt. In der Nacht zum Donnerstag wird die Wohnung gestürmt. Michael S. lebt bei seinem Vater. Die Beamten finden eine schussbereite Gaspistole. Während einer ersten Vernehmung stellt sich heraus, dass der Bäckerlehrling offensichtlich schon länger Schwierigkeiten mit Drogen hatte. Auch die SMS habe er unter dem Einfluss mehrer zuvor gerauchter Joints geschrieben, gab er an. Eine Therapie, zu der er bereits von einem Münchner Gericht verpflichtet worden war, hatte der Mann nicht angetreten. Um einen "Scherz" hat es sich hingegen laut Angaben eines ebenfalls verhafteten 14-jährigen Wirtschaftsschülers aus Aubing gehandelt, als dieser im Verlauf eines Internet-Chats damit prahlte, er verfüge über 500 Schuss Munition und plane einen "Aktion" nach Erfurter Vorbild. Die Polizei wurde von einem Mitschüler auf den Jungen aufmerksam gemacht. Mittlerweile ist der 14-jährige wieder in der Obhut seiner Eltern. Da er über seine Motive keine Angaben machen wollte, ist die Polizei auf Spekulationen angewiesen. Hubertus von Voß, der Leiter des Münchner Kinderzentrums, ist davon überzeugt, dass man es in diesen und ähnlichen Fällen mit einer "emotionalen Verwahrlosung" von Jugendlichen zu tun habe. Sie ahnten nicht, was sie mit ihren Drohungen auslösten, so Voß. Dennoch müsse man den Absichtserklärungen energisch nachgehen, denn gerade kurz nach einem Blutbad wie in Erfurt sei die Bereitschaft zur hundertprozentigen Nachahmung verbreitet.

Über pure Drohungen hinaus ist es in einer Schwabinger Schule gekommen, wo ein 15-jähriger Iraker Mitte der Woche zuerst zwei Mädchen sexuell bedroht hatte. Als die Mädchen ankündigten, ihn anzeigen zu wollen, habe der Iraker gesagt, er werde die Mädchen und einer ihrer Lehrerinnen erschießen. Während des Sportunterrichts wurde er zwei Tage später festgenommen.

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