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Panorama: Antenne kostet das Sonnenlicht

MOSKAU .Die Aussichten schienen blendend.

MOSKAU .Die Aussichten schienen blendend.Schon in den nächsten Jahren sollten die ewig dunklen, russischen Polarstädten über im Weltraum stationierte Sonnenreflektoren beleuchtet werden.Doch die Menschen müssen wohl weiter darauf warten, daß die Nacht in manchen Regionen der Erde kurzerhand zum Tag gemacht werden kann.Der spektakuläre Versuch scheiterte am Donnerstag.Der 25-Meter-Spiegel aus reflektierendem Aluminiumstoff verfing sich in der Außenantenne des Transportraumschiffes Progress - "Snamja-2.5" (Banner) konnte sich nicht entfalten.

Nach zwei Versuchen wurde das Experiment zunächst abgebrochen, die endgültige Entscheidung wollte sich die Flugleitzentrale in Moskau aber bis zum Freitag in der Frühe vorbehalten.Falls es am Morgen keine neuen Ideen gebe, werde der unbemannte Progress-Transporter, auf dem die Anlage befestigt ist, aufgegeben und mitsamt Spiegel in der Erdatmosphäre verglühen.Sollte sich doch noch ein Erfolg einstellen, werde der Transporter erst am Sonnabend aufgegeben.

Eigentlich hatte der Folienspiegel für mehrere Sekunden in verschiedenen Städten der Erde als Scheibe - zehnmal heller als der Vollmond - zu sehen sein sollen.Doch so großartig das Experiment angelegt war, so banal war auch der Grund des Scheiterns: Irgendjemand hatte vergessen, die Außenantenne des Transportraumschiffes einzuziehen.Der drehende Stoffballen, der sich durch die Fliehkraft von selbst entfalten sollte, zurrte sich an der Antenne fest.Erst als diese ferngesteuert zusammengeklappt wurde, löste sich die Folie wieder.Beim zweiten Anlauf versagte der Drehmechanismus, der die Folie gespannt halten sollte, die die Sonnenstrahlen zur Erde umleiten sollte.

In der Flugleitzentrale herrschte Aufregung und Ratlosigkeit.Niemand hatte mit einem derartigen Ende des Experiments gerechnet.Ein Schuldiger wurde nicht genannt.Bereits vor fünf Jahren war ein derartiges Experiment - damals mit einem 20-Meter-Spiegel - geglückt.In Europa sah man wegen starker Wolken jedoch nur einen schwachen Lichtstrahl.

Am Donnerstag um elf Uhr vormittags (MEZ) legte das Transportraumschiff Progress von der MIR ab und bezog einen Standort in einem Ein-Kilometer-Sicherheitsabstand zur Raumstation.Der Spiegel sollte sich entfalten und bereits um 14 Uhr die ersten Sonnenstrahlen auf die kasachische Stadt Karaganda lenken.Nach den Plänen des russischen Raumfahrtunternehmens Energija sollte der Spiegel im Verlauf des 17stündigen Experiments dann jeweils kurz nach Sonnenuntergang in verschiedenen Städten der Welt für kurze Zeit zu sehen sein.Um 17 Uhr sollten die Strahlen über den Spiegel im südrussischen Saratow scheinen.Später sollte er die Strahlen auf Kiew und Bonn lenken.Gegen 19 Uhr erwartete man Snamja-Licht in Frankreich und um 00.40 Uhr im Süden Kanadas.Deutsche Experten dämpften Erwartungen an die Leuchtkraft des reflektierten Lichtes.Es entspreche der Lichtstärke von etwa drei Lux.Dies sei "etwa so viel wie eine schwache Taschenlampe im Kohlenkeller", sagte ein Experte."Niemand wird geblendet."

Das Energija Unternehmen hat jedoch ehrgeizige Pläne.Man will einen noch größeren Spiegel mit einem Durchmesser von 300 Metern bauen und ihn im Weltraum stationieren.Solch ein Riesenspiegel könnte ein Gebiet mit 50 Kilometern Durchmesser beleuchten.Die Helligkeit wäre 50mal stärker als die des Vollmondes."Theoretisch können wir ganze Staedte beleuchten", erklärte Wladimir Syromyatnikow , der technische Direktor des Snamja-Projekts.

Die Tatsache, daß die Bewohner vieler russischer Städte in der Polarzone heute wegen der zusammengebrochenen Energieversorgung frieren und viele Stunden am Tag auf Licht verzichten muessen, scheint das Experiment des russischen Raumfahrtunternehmens zu rechtfertigen.Die Russen wollen mit dem Spiegelexperiment auch Technologien künftiger Antriebskonzepte mit Sonnenkraft erproben sowie Verfahren testen, um mit gebündeltem Sonnenlicht Sonnenkraftwerke zu betreiben.Es gibt jedoch auch Stimmen, die davor warnen, derart massiv in die Biosphäre einzugreifen.ULRICH HEYDEN

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