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Breivik-Prozess: Staatsanwaltschaft erklärt Angeklagten für unzurechnungsfähig

Im Breivik-Prozess plädiert die Staatsanwaltschaft dafür, den Attentäter für schuldunfähig zu erklären und ihn in die Psychiatrieeinzuweisen. Wie begründet die Anklage ihre Position?

Der Islamhasser und Mörder von 77 Menschen lächelte spöttisch und schüttelte den Kopf, als Ankläger Svein Holden am Donnerstag in seinem Plädoyer wie erwartet die Zwangseinweisung forderte. Anders Behring Breivik hatte am 22. Juli 2011 in Oslo acht Menschen mit einer Autobombe getötet. Danach erschoss er 69 Teilnehmer eines sozialdemokratischen Jugendlagers auf der Insel Utøya.

Holden und seine Kollegin Inga Bejer Engh begründeten ihre Einstufung Breiviks als nicht schuldfähig mit „weiter bestehenden Zweifeln“ an seinem psychischen Zustand während der Anschläge. Sie hatten sich zum Auftakt des Verfahrens hinter ein erstes rechtspsychiatrisches Gutachten gestellt, in dem Breivik als nicht schuldfähig wegen paranoider Schizophrenie und Psychose eingestuft wurde. Daran änderten am Ende weder ihre spätere Kritik an diesem Gutachten noch ein zweites, gegenteiliges Gutachten etwas: Im Zweifel für den Angeklagten.

Zum Streit darüber, wie ein Massenmörder, der so präzise und militärisch geplant vorgeht, als unzurechnungsfähig erklärt werden kann, sagte Engh: „Wie zurechnungsfähig jemand sein muss, das ist eine Frage, die der Gesetzgeber genauer spezifizieren sollte, wenn er Unklarheiten vermeiden will. Nach den geltenden Regeln können wir Breivik nicht als zurechnungsfähig einstufen.“

„Nach unserer Überzeugung ist es schlimmer, einen psychotischen Menschen irrtümlich in Haft zu nehmen als einen nicht psychotischen in eine Zwangspsychiatrie“, sagte Holden. Engh erklärte bei einer Pressekonferenz nach dem Plädoyer: „Wir hätten uns eine sichere Einstufung bei einem Verfahren wie diesem gewünscht. Aber es gibt sie leider nicht.“

Die Staatsanwältin hatte vorher detailliert ausgeführt, dass Breiviks behauptete Zugehörigkeit zu einem „Orden der Tempelritter“ als politischem Netzwerk frei erfunden sei. In Wirklichkeit sei er von „Gewalt- und Mordfantasien“ angetrieben gewesen. Breiviks Erklärungen zu seinem angeblichen politischen Hintergrund hätten das „für ihn tragische Bild eines jungen Mannes ergeben, der sich als Teil eines nicht existierenden Netzwerkes sieht“. Sie hätten „jeder Logik entbehrt“.

Breivik folgte dem Plädoyer weitgehend unbewegt, lächelte aber häufig spöttisch oder schüttelte den Kopf. Sein Anwalt Geir Lippestad erklärte im TV-Sender NRK, sein Mandant sei über die Haltung der Ankläger nicht überrascht gewesen. Breivik will bei seiner Einweisung in eine geschlossene Rechtspsychiatrie Berufung einlegen. Er hatte sich gegen die Einstufung, er sei psychotisch, empört gewehrt: Er fühle sich „gekränkt“. Ihm paranoide Schizophrenie zu bescheinigen und ihn für unzurechnungsfähig zu erklären, diene nur dazu, „mich lächerlich zu machen“, sagte er immer wieder.

Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft zu Breiviks psychischem Zustand wird als Vorentscheidung angesehen, Experten erwarten, dass sich das Gericht der Auffassung anschließt.

Engh betonte gleich zu Beginn des Schlussplädoyers, der eigentliche Mittelpunkt des zehnwöchigen Verfahrens sei nicht Breivik, sondern seien die Überlebenden und Hinterbliebenen des Massakers gewesen. Sie hätten mit ihren Aussagen für einen „angemessenen und würdigen Verlauf“ gesorgt.

Nach dem Plädoyer der Verteidiger und einem Schlusswort von direkt betroffenen Überlebenden sowie Opfer-Angehörigen erhält Breivik am Freitag die Gelegenheit zu einem Schlusswort. Er hat dafür eine Stunde Redezeit verlangt.

Zehn Wochen dauerte der historisch wichtigste Prozess Norwegens seit den Strafverfahren gegen NS-Kollaborateure nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Urteil soll entweder am 20. Juli oder am 24. August verkündet werden. mit dpa/dapd

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