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Panorama: Da kommts dicke

Übergewicht löst Rauchen und Alkohol als Gesundheitsgefahr Nummer eins ab – Mediziner tagen in Berlin

Vorquellende Bäuche, dicke Hüften und schwabbelige Schenkel, bei Männern, bei Frauen und – immer mehr – bei Jugendlichen und Kindern. Das sieht nicht schön aus, aber das alleine macht nicht krank, von psychologischen Problemen wie mangelndem Selbstbewusstsein einmal abgesehen. Und doch wird Übergewicht zu einem der größten Gesundheitsprobleme in unserer Gesellschaft. Manche Experten sehen in der Fettleibigkeit, die Mediziner sprechen von Adipositas, sogar den Risikofaktor Nummer eins. Gehäuft sind solche Mahner derzeit in Berlin auf der Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft zu finden.

„Krankhaftes Übergewicht hat in den USA bereits das Rauchen als größten Risikofaktor abgelöst“, sagt der Tagungspräsident Jürgen Scholze, Leiter der Medizinischen Poliklinik an der Berliner Charité dem Tagesspiegel. Und auch bei uns sei die Krankheit auf dem besten Weg, Alkohol und Rauchen beim makabren Gefahrenwettlauf zu überholen.

Ab wann bin ich denn gefährdet, Professor Scholze? Das zeige nicht so sehr der Blick auf die Waage, auch nicht der Body-Mass-Index (Gewicht in Kilo geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat), der ab dem Wert 30 krankhaftes Gewicht signalisieren soll.

„Das Risiko ist viel leichter messbar“, erklärt der Facharzt für Innere Medizin. „Einfach ein Maßband um den Bauch legen.“ Beim männlichen Bauch beginnt der gefährliche Bereich schon ab 94 Zentimetern, ganz riskant wird es ab 102 Zentimetern. Bei Frauen leuchtet die rote Lampe schon bei 80 Zentimetern, die höchste Alarmstufe wird bei 88 Zentimetern ausgerufen.

Was kann denn passieren? Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist stark erhöht, sagt Scholze. Doch Fett ist nicht gleich Fett. Als große Übeltäter wurden die Schwimmringe am Bauch identifiziert, dicke Oberschenkel oder Hüften schaden dagegen nicht so sehr. Aber auch von außen nicht sichtbares Fett kann negativ sein, wenn es sich in Muskeln und inneren Organen wie Leber oder Bauchspeicheldrüse ablagert. „Dann arbeitet ein inneres Kraftwerk“, sagt Scholze. Produziert werden Hormone, die den Stoffwechsel entgleisen lassen.

Es entsteht das „metabolische Syndrom“. Das bezeichnet eine riskante Entwicklung, die letztlich zu Arteriosklerose führt. Durch Ablagerung von Blutfett, Bindegewebe oder Kalk verengen sich die Blutgefäße. Scholze macht die Fettleibigkeit für ein vierfach erhöhtes Todesrisiko durch Herzinfarkte und Schlaganfälle verantwortlich. Bei dauerhaft erhöhten Werten von Blutzucker entwickelt sich auch Altersdiabetes.

Die Prognosen scheinen düster, wenn man bedenkt, dass schon zwei von drei Bundesbürgern zu viel Speck auf den Rippen haben. Besonders rasant nimmt derzeit die Zahl Übergewichtiger bei Kindern und Jugendlichern zu, nämlich doppelt so schnell wie bei Erwachsenen, wie Scholze betont. Das liege an mangelnder Bewegung und zu reichlichem Essen. Die Kinder sitzen zu lange, bis acht Stunden täglich, vor Computer und Fernseher und nehmen zu viel zuckerhaltige Softgetränke und fettreiches Fastfood zu sich.

Die Therapie – und die gilt genauso für Erwachsene – ist entsprechend. Mehr Bewegung, mindestens fünf Stunden pro Woche, empfiehlt Scholze. Und ballaststoffreiche, fettarme Kost mit viel Gemüse, durchaus auch ab und zu mit magerem Fleisch, aber mit wenig zuckerhaltigen Getränken und Alkohol.

Bei der Adipositastagung findet heute eine öffentliche, kostenlose Info-Veranstaltung statt: 11-13 Uhr, im Hotel Maritim, Stauffenbergstr. 26, Berlin-Tiergarten.

Paul Janositz

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