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Panorama: Das Jagen hat begonnen

In Kanada werden seit gestern wieder Robben geschlachtet – 320000 sollen bis Mai sterben

Montreal Das Robbenjunge hebt den Kopf und schaut den Mann mit dem Eisenhaken ahnungslos an. Nur ein kurzes dumpfes Knirschen ist zu hören, als der breitschultrige Fischer zuschlägt. Kein Klagelaut, kein Todesschrei. Robbenkinder sterben leise. Leise, hilflos und in solchen Massen, dass sich schon am ersten Tag der Jagd auf junge Sattelrobben weite Gebiete im Packeis vor dem Nordosten Kanadas blutrot färben.

Am gestrigen Dienstag begann dort ungeachtet internationaler Proteste wieder die Saison für das weltweit größte Abschlachten von Meeressäugetieren. Das Massentöten der Robben zwecks Pelzgewinnung habe mit einer eigentlichen „Jagd“ nichts gemein, sagt die kanadische Robbenexpertin Rebecca Aldworth. „Das ist ein Massaker. Die Tiere sind kaum vier Wochen alt und völlig wehrlos.“ Zudem würden Robben oft bei lebendigem Leib gehäutet, beklagen Organisationen wie der International Fund for Animal Welfare (IFAW).

„Wir haben dokumentiert, dass immer wieder Tieren das Fell abgezogen wird, bevor der Tod tatsächlich eingetreten ist“, sagt Aldworth. Besonders ihre Hilflosigkeit macht die jungen Robben zu einer begehrten Beute. Sie können noch nicht oder nur schlecht schwimmen. Während die Robbenmütter vor den anrückenden Jägern ins Wasser und dort unter die Eisschollen fliehen, bleiben die Jungtiere einfach liegen.

Dem großen Schlachten, dass nun wieder im St. Lorenz-Golf beginnt und dann vor Neufundland weitergeht, werden allein in dieser Saison bis etwa Mitte Mai mindestens 320000 junge Sattelrobben und 5000 Klappmützen zum Opfer fallen. Das erlauben die Fangquoten der kanadischen Regierung, die insgesamt für die Jahre 2003 bis 2005 die Tötung von etwas mehr als einer Million Robben freigegeben hat.

Protestaktionen in weltweit rund 50 Städten bezeichnete Kanadas Fischereiminister Geoff Regan als „eine wirkliche Schande“. Mit realitätsfernen Argumenten und übertrieben brutalen Darstellungen würden Gegner der Robbenjagd „kanadische Männer und Frauen in diesem Industriezweig verunglimpfen“. Für hunderte Familien im Nordosten des Landes sei der Verkauf von Robbenfellen in jedem Frühjahr eine wichtige Einnahmequelle neben der Fischerei. Zudem habe die kanadische Vereinigung der Veterinäre bestätigt, dass Lebendhäutungen von Robben seltene Ausnahmen seien. Gewöhnlich reagierte Kanada auf Proteste gar nicht oder nur zurückhaltend. Neben dem Arbeitsplatzargument wird auch darauf verwiesen, dass sich die Robben zu stark vermehren und die Fischbestände gefährden würden, was Wissenschaftler bezweifeln. Diesmal versucht der Fischereiminister offenbar, den Kritik-Spieß umzudrehen. Die Proteste seien nichts anderes als eine „konzertierte Kampagne zum Nutzen mächtiger und gut betuchter (Tierschutz-)Organisationen“, erklärte Regan.

Die Spendenorganisation Greenpeace protestiert seit Dienstag in den vier größten deutschen Städten gegen den Beginn der Robbenjagd in Kanada. In Berlin, Hamburg, Köln und München sollen bis zum Freitag Mahnwachen stattfinden, bei denen vier Meter hohe Bilder der Jagd gezeigt werden. Auf der zentralen Veranstaltung in Berlin am Brandenburger Tor können sich Passanten am Bedrucken eines 350 Meter langen Banners mit insgesamt 350000 stilisierten Robben beteiligen. Greenpeace wirft Kanada vor, dass die Jagd „sinnlos und ethisch verwerflich“ sei. Der Greenpeace-Protest richtet sich nicht gegen die traditionelle Jagd der Ureinwohner Kanadas und Grönlands zur Deckung des Eigenbedarfs. dpa

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