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Panorama: Dem Schein nach

Eine Frau hat Kirchensteuer zurückverlangt. Und vor Gericht gewonnen

Richter Ulrich Schwenke konnte ein süffisantes Lächeln nicht unterdrücken. Der Fall, den er an diesem Morgen zu verhandeln hatte, war selbst für einen gestandenen Richter durchaus kurios. Nach 35 Jahren fordert eine 68-jährige Rentnerin ihre Kirchensteuer zurück. Begründung: Sie sei nur zum Schein Katholikin gewesen.

Richter Schwenke sprach von einem „Sittengemälde“. Die Frau aus der Grafschaft Bentheim war 1970 auf Drängen ihrer Schwiegereltern aus der evangelischen Kirche ausgetreten, um zur katholischen Kirche zu wechseln. Sie habe im Folgenden dann zwar Kontakt zu einem Vertreter der katholischen Kirche aufgenommen und auch am Konvertitenunterricht teilgenommen, doch Katholikin, sagte die Frau, sei sie nie gewesen. Sie habe lediglich den Schein aufrechterhalten, um ihre Schwiegereltern zu befriedigen. Deshalb habe sie auch immer Kirchensteuer bezahlt.

Nun will die seit langem geschiedene Rentnerin jedoch Klarheit schaffen. „Ich habe viel zu lange zwischen den beiden Konfessionen gelebt und mich nirgends richtig zugehörig gefühlt“, erklärte die Frau. Deshalb habe sie sich im letzten Jahr per Austrittserklärung offiziell von der Kirche getrennt. Jetzt forderte sie für das Jahr 2003 ihre bereits gezahlte Kirchensteuer in Höhe von rund 1360 Euro vom Bistum Osnabrück zurück. Für alle früheren Jahre kann sie nicht mehr klagen, weil alle Steuerbescheide längst endgültig sind. Nur der Steuerbescheid für 2003 war noch nicht bestandskräftig, als sie sich zu ihrem Schritt entschloss.

Das Gericht hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob die Klägerin nach kirchlichem Recht als Katholikin zu gelten habe oder nicht. Joachim Schnieders, Finanzdirektor des Bistums, ließ sich zumindest durch die Begründungen der Klägerin wenig beeindrucken. „Die Klägerin hat sich jahrelang durch Zahlung der Kirchensteuer öffentlich zum katholischen Glauben bekannt“, begründete der Jurist. Gerichte in München und Koblenz hätten in ähnlichen Fällen entschieden, dass ein solches Bekenntnis ausreiche, um jemanden als Katholiken einzustufen. Außerdem sei im Heiratsregister des Bistums Münster, wo die Klägerin und ihr Ehemann getraut wurden, als Konfession römisch-katholisch angegeben worden.

Das Gericht zeigte sich gegenüber diesen Begründungen zurückhaltend. Es sei zu beachten, sagte Richter Ulrich Schwenke, dass die Zahlungen der Kirchensteuer unter einem gewissen Druck erfolgt seien. Außerdem sei noch nachzuprüfen, ob der Eintrag in der Heiratsurkunde ausreiche, um jemanden als Katholiken zu bezeichnen. Vorrangige Aufgabe dieser Urkunde sei es ja, zunächst einmal die Heirat zu bekunden.

Für das Bistum Osnabrück bestand damit das Problem, einen Übertritt der Klägerin nicht nachweisen zu können. So sei das Führen eines Konvertitenbuches, in dem derartige Übertritte festgehalten werden, für Bistümer nicht verpflichtend, erklärte Schnieders. Auch ein Eintrag ins Taufregister, den Inbegriff des kirchlichen Meldewesens, sei nicht möglich, da bei einem Konfessionswechsel keine erneute Taufe vorgenommen werde. Die Verteidigung konnte somit nur mit der langjährigen Zahlung der Kirchensteuer argumentieren. Doch dies war für das Gericht nicht ausreichend. Die Richter entschieden, dass das Bistum Osnabrück die Kirchensteuer für das Jahr 2003 zurückzahlen müssten und die Klägerin demnach als nicht katholisch einzustufen sei.

Die 68-Jährige nahm dieses Urteil mit Befriedigung auf. „Ich lebe jetzt erst mal ein wenig leichter“, sagte sie nach der Verhandlung. Nun könne sie in Ruhe entscheiden, wo es mit ihrem Glauben lang gehen solle. Das Bistum indes will die Sache auf sich beruhen lassen. Ein Grund, nun flächendeckend Konvertitenbücher einzuführen, sei das Urteil nicht, sagte Schnieders. Es sei ein Einzelfall.

Dorte Eilers

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