zum Hauptinhalt

Panorama: Der Brand brach im Keller aus

In Ludwigshafen wird ein rechtsradikaler Anschlag unwahrscheinlicher – tausende Trauernde bei der Beisetzung in der Türkei

Der Brand von Ludwigshafen, der neun Todesopfer forderte, ist im Keller des Wohnhauses ausgebrochen. Das teilte der Leiter der Staatsanwaltschaft Frankenthal, Lothar Liebig, am Montag mit. Die Ursache des Feuers sei aber weiterhin unbekannt. Weder Brandstiftung noch technischer Defekt könnten derzeit ausgeschlossen werden.

Wenn das Feuer im Keller ausbrach, ist ein Brandanschlag von außen eher unwahrscheinlich. Aus Behördenkreisen heißt es ebenfalls, ein Anschlag von Neonazis werde immer unwahrscheinlicher. Die in der Brandruine gesicherten Spuren würden in Labors ausgewertet. Die Sachverständigen bräuchten allerdings noch zusätzliche Informationen. Liebig erklärte, es sei eher unwahrscheinlich, dass es noch in der laufenden Woche gelinge, die Brandursache zweifelsfrei zu klären. Ein neunjähriges Mädchen hatte zuvor angegeben, im Eingangsbereich des Hauses einen unbekannten Mann gesehen zu haben, der Feuer gelegt habe. Nachbarn des vorwiegend von einer türkischen Familie bewohnten Hauses hatten dem Tagesspiegel berichtet, das Gebäude sei stark sanierungsbedürftig gewesen. Der Eigentümer, angeblich ein Verwandter der jungen Zeugin, habe bei den Sicherheitsvorkehrungen gespart, hieß es. Die Staatsanwaltschaft bestätigte dies am Montag nicht. Die Ermittler suchen nun nach Film- und Fotoaufnahmen, die vor dem Ausbruch des Feuers von dem Haus und seiner Umgebung gemacht wurden. Die Sonderkommission umfasst inzwischen 80 Beamte, unter ihnen auch vier Türken.

Am Montag nahmen tausende Menschen an der Beisetzung der Opfer in der Türkei teil.

Beim letzten Besuch in ihrer südosttürkischen Heimatstadt Gaziantep nahm die 48-jährige Medine Kaplan vor zweieinhalb Monaten ihren Sohn Kenan beiseite. Wenn ihr etwas zustoßen sollte, wolle sie auf dem Asri-Friedhof von Gaziantep beerdigt werden, sagte Medine Kaplan ihrem Sohn. Am Montag wurde Medine Kaplan Seite an Seite mit den acht anderen Opfern der Brandkatastrophe von Ludwigshafen auf dem von ihr ausgesuchten Friedhof beigesetzt. Tausende von Menschen gaben den Opfern aus Ludwigshafen das letzte Geleit. Aus der Trauerfeier für die vier Frauen und fünf Kinder wurde fast so etwas wie ein Staatsakt. Fast jede türkische Familie hat Verwandte oder Freunde in Deutschland – die allermeisten Türken können sich also gut in die Lage der Hinterbliebenen der Opfer von Ludwigshafen hineinversetzen. „Neun Engel“ seien aus Deutschland zurückgekehrt, meldeten die Zeitungen.

Die mit türkischen Fahnen geschmückten Särge der Opfer waren in der Nacht mit einer Sondermaschine der Turkish Airlines aus Frankfurt nach Gaziantep gebracht worden. Auch der für die Auslandstürken zuständige Staatsminister Said Yazicioglu und die Opfer-Familien saßen in dem Flugzeug. Von den Schuldvorwürfen an die Deutschen, die in den Tagen nach dem Brand die öffentliche Diskussion in der Türkei bestimmt hatten, war in Gaziantep nur wenig zu spüren. Zwar bekräftigte Bürgermeister Asim Güzelbey die Forderung nach einer raschen Aufklärung der Brandursachen, doch standen Gesten der Versöhnung im Vordergrund.

So sprach der deutsche Botschafter in der Türkei, Eckart Cuntz, den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid auf Türkisch aus – was von vielen Teilnehmern und auch den Medien als ganz besonderes Zeichen der Verbundenheit gewertet wurde. Die Opfer seien „sowohl Kinder Ludwigshafens als auch Kinder Gazianteps“ gewesen, sagte Cuntz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false