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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (12): Tschechen lernen lieber Englisch statt Deutsch

Unser Kolumnist Helmut Schümann, der gerade Tschechien bereist, hat in Nejdek die Lehrerin Blanka Horakova getroffen. Sie erzählte ihm, warum die Beliebtheit von Deutsch als Fremdsprache nachlässt.

Böhmerwald. In der Nähe von Nyrsko, das heißt in Zelena Lhota, in der Pension Herada, was beides zu Nyrsko gehört, aber von Nyrsko so was von weit..., später. Zelena Lhota ist ein böhmisches Dorf. Und für böhmische Dörfer ist das Internet mitunter ein böhmisches Dorf. Mit anderen Worten: Die Errungenschaften der Technik sind noch nicht angekommen in jeden Winkel des Böhmerwaldes, was einerseits schön ist und die Idylle nicht trübt, andererseits die Übermittlung meiner Umrundungserlebnisse verzögert.

Ich bin schon weiter, bin auf dem Weg nach Österreich, es ist aber noch eine Begegnung aus Nejdek nachzutragen. Nejdek, dem Ort, in dem ich Berta Ruzickova begegnet bin, der alten Dame, die als Kind so gerne vertrieben worden wäre, weil die Umstände der neuen tschechoslowakischen Machtinhaber so schrecklich waren, dass sie nur weg wollte.

Und Nejdek, dem Ort, an dem die deutsche Firma Witte, die unter anderem Schließanlagen für Autos herstellt, viel Kosten spart, aber eben auch mit 1500 Arbeitsplätzen eine Menge zur positiven Einstellung zum Nachbarn im Westen beiträgt.

Blanka Horakova lernte ich kennen, weil sie Berta Ruzickova kennt, aus dem gemeinsamen Engagement in der katholischen Kirche. Blanka ist 39 Jahre alt, unterrichtet am Gymnasium von Karlovy Vary Deutsch und Tschechisch, sie sagt tatsächlich, man glaubt es kaum, Karlovy Vary und nicht Karlsbad. Ursprünglich kommt sie aus Ceska Trebova, das ist in Ostböhmen an der Grenze zu Mähren. Aber eigentlich kommt sie da nicht her, auch nicht ihre Mutter, auch die schon wurde im Erzgebirge geboren, wie Blanka auch, die Großeltern wurden damals zwangsumgesiedelt. „Aber ich bin natürlich hier zu Hause, hier ist meine Heimat, und Deutsch habe ich auch nicht gelernt aus alter Verbundenheit oder weil bei uns Deutsch gesprochen wurde.“  Es ist sehr wohltuend, in einer Gegend, in der alles, aber auch alles so schwer beladen erscheint von der Geschichte, ganz unbeladene Motive zu hören.

Blanka hat seinerzeit ab der siebten Klasse Deutsch gewählt, Russisch war zu der Zeit noch erste obligatorische Fremdsprache. Heute ist es Englisch, und Deutsch ist Wahlfach neben Französisch, Russisch, was die jeweiligen Schulen anbieten. Wenn Berta und Blanka miteinander reden, sprechen sie übrigens Tschechisch, „oh, das ist unhöflich“, sagt Berta, „unser Wandersmann versteht und nicht.“ Aber auch das ist wohltuend, nicht den erwartbaren Satz zu hören, wie schön es sei, endlich mal wieder in der Muttersprache reden zu können.

Blanka erzählt, dass die Beliebtheit von Deutsch als Fremdsprache nachlasse, Englisch sei die Sprache der Jugend, was aber mehr mit dem vorherrschenden Musikgeschmack zu tun habe, als mit Ressentiments gegenüber dem Nachbarn.  Und mehr damit, weil Englisch eben leichter sei, „eure Sprache, sagen die Schüler, ist hart und hat eine komplizierte Grammatik.“ Ersteres ist vielleicht eine Sache des Geschmack und der Hörgewohnheit, letzteres wohl nur vom deutschtümelndensten Syntaktiker zu bezweifeln. „Die, die Deutsch lernen, begreifen das als Karrierechance.“

Wir sprachen dann noch über Camouflage, dem bevorzugten Kleidungsstil in diesem Teil Tschechiens. Jeder Zweite hat eine Tarnhose an, mindestens, meistens kommt noch eine Tarnjacke dazu. „Das galt zu Zeiten des Kommunismus als Zeichen des Widerstandes, und dann trug es jeder, bis heute“, sagt Blanka. Also so wie bei uns, als in den Siebzigerjahren der Parka, der Anorak des amerikanischen Militärs und auch der Bundeswehr das absolute Muss der Altachtundsechziger und ihrer jüngeren Geschwister war und selbst von Kriegsdienstverweigerern mir Begeisterung getragen wurde. Ich weiß, wovon ich rede. Was das mit dem Blick der Tschechen auf uns in der Bundesrepublik Deutschland zu tun hat? Nichts. Aber damit, dass sich Menschen schon auch sehr ähnlich sind.

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