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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (14): Merkel und der Ex-Manager

Auf seiner Wanderung rund um Deutschland herum trifft unser Kolumnist Helmut Schümann in Tschechien einen einstigen internationalen Topmanager. Bei ungarischem Rotwein erzählt der ihm von Angela Merkel, Josef Ackermann, und warum er auf all das keine Lust mehr hatte.

Der Mann begrüßte mich am Grillfeuer mit einem ungarischen Rotwein, „it's excellent, taste it.“ Ich war endlich angekommen aus Rozvadov über Nyrsko in Zelena Lhota. Mit seiner Freundin, einer Tschechin, sprach er ebenfalls englisch, mit deren Tochter wahlweise italienisch, englisch und brockenweise tschechisch. Italiener sei er, erzählte er, Fillipo heiße er, gebürtig in Genua, aber schon lange in Tschechien lebend, in Prag, er habe auch noch eine Großmutter aus der Schweiz, der deutschsprachigen Schweiz, viel mehr Europa geht kaum. Außerdem sei er seit sechs Monaten im Ruhestand.

Fillipo sieht jünger aus als ich, der Mittfünfziger. „Ich bin 49“, sagte Fillipo. Und als ich ihn fragte, was geschehen sei, dass er so früh in Rente gehe, sagte er, er sei Manager gewesen, „so einer, über deren Gehälter ihr in Deutschland gerade diskutiert.“ Fillipo kannte sich erstaunlich gut aus.

Es wurde ein langer Abend. Mit viel ungarischem Rotwein, mit der Ankündigung, künftig ungarischen Wein zu boykottieren wegen des dortigen Regierungschefs Orban, mit Grillfleisch bis zum Platzen und einer erstaunlichen Offenbarung. „Ich bin Filippo Pinori, wenn du mich googelst, findest du mich.“

Mittels einer Pinkelpause googelte ich, Blender enttarnt die moderne Technik schnell. Fillipo Pinori, Top-Manager bei Kimberly-Clark, einem der führenden Hygieneartikelhersteller der Welt, Firmensitz in Dallas, etwa 60000 Beschäftigte weltweit, Jahresumsatz von etwa 20 Milliarden Dollar, in Deutschland vertreten mit Camelia, Hakle, Kleenex, Servus, in den vergangenen sechs Jahren bis zu seinem Ausstieg war Fillipo erst General Manager in Ungarn, Spanien und zuletzt Chef des osteuropäischen Marktes gewesen.

„Und, gefunden“, fragte er, als ich zurückkam von der Toilette.

„Ja“, sagte ich „ein Ackermann der Damenbinde.“

Er lachte, „aber ich habe nie“, er spreizte Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen, „gemacht.“ Er kennt sich wirklich erstaunlich gut aus. „Und ich habe auch keine Peanuts verdient, jetzt steige ich aus.“

Wir tranken inzwischen tschechischen Rotwein, „na, ja“, sagte der Italiener, Adele, die Tschechin, seine Freundin, brachte Tanja, ihre Tochter ins Bett. „und du willst also wandernd erfahren , wer ihr Deutschen seid“, sagte Filippo, „das ist viel zu schnell. Um Tschechien zu erfahren, müsstest du Wochen hier bleiben. Euer Problem ist, das Problem der Merkel, dass ihr Regeln habt, das sind gute Regeln, ihr habt eine Lebensart, das ist eine gute Lebensart, das sage ich als ehemaliger Manager, sie funktioniert auch, aber ihr könnt nicht sagen und die Welt damit beglücken, dass es die richtigen Regeln sind. Alles was von euch, von Miss Merkel kommt ist richtig, ist logisch, Merkel sollte in den Vatikan geben, da zählt der Glaube.“

Ich kam nicht mehr zu Wort. „Ich sage es mal so“, sagte Filippo, „wenn in Schweden ein Gärtner im Park, ein von Steuergeldern bezahlter Gärtner, eine Pause einlegt, stürmen die Bürger auf ihn los und beschimpfen ihn als Schmarotzer, der von ihren Steuern einen faulen Job macht. Wenn in Italien ein gleich bezahlter Gärtner arbeitet, kommen die Leute und sagen, komm lass uns einen Espresso trinken.“ Ich machte wohl ein Gesicht, dass nach Unverständnis aussah.

Am anderen Morgen, ich machte mich gerade fertig für die 30 Kilometer nach Zelezna Ruda, kam Filippo auf die Terrasse, drückte mich, wünschte mir viel Glück für die Wanderung und sagte: „Alles ist gut und richtig und logisch und ohne Risiko, was ihr Deutschen macht. Gerhard Schröder, der die Reform machte, war ein großer Kanzler. Und die Merkel ist langweilig, aber ich hoffe, ich weiß, sie wird wiedergewählt. Everything is good and right and logical and serious. That's, why I quit.“ 

Aha, dachte ich. Und stapfte los. 30M  Kilometer. Und war ein wenig gekränkt. Weil  ich nicht weiß, was falsch daran ist, gut, richtig, logisch uns seriös zu sein. Sind 30 Kilometer zu Fuß etwa kein Risiko, Filippo?

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