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Panorama: Diesel verkürzt das Leben

Eine Studie der EU belegt die Folgen von Feinstaub. Drohen jetzt Fahrverbote? Berlin versucht es anders

Wie viele Menschen jährlich an Herz- und Krebserkrankungen sterben, die durch Feinstaub in der Luft ausgelöst werden, weiß man nicht genau. Bis zu 310 000 Europäer sollen es pro Jahr sein, hat die EU-Kommission ausgerechnet, die die Grenzwerte Anfang des Jahres erheblich verschärft hat. Doch egal, wie hoch die Zahl tatsächlich ist: „Es sind auf jeden Fall zu viele Menschen, die wegen des Drecks in der Luft sterben müssen“, sagte der Verkehrsexperte des Umweltbundesamtes, Axel Friedrich, dem Tagesspiegel. Einig ist man sich, dass die Grenzwerte nur durch Einschränkungen beim Autoverkehr eingehalten werden können – durch Fahrverbote, Tempolimits auch auf Hauptstraßen oder eine Maut für Fahrten in die Innenstadt.

Welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, schreibt die EU bisher nicht vor. Die Kommission drängt aber darauf, dass die Grenzwerte, die bisher in den meisten großen Städten überschritten werden, in Zukunft eingehalten werden. In der kommenden Woche wolle die Kommission eine Studie veröffentlichen, wonach die Lebenserwartung jedes Europäers wegen des Feinstaubes in der Luft durchschnittlich um neun Monate sinke, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ gestern. Die Zahl der Todesfälle durch den Feinstaub solle bis 2020 auf etwa 200 000 pro Jahr reduziert werden.

Die hausgemachten feinen Staubpartikel stammen vorwiegend aus den Auspuffanlagen von Dieselfahrzeugen. Hinzu kommen Abriebe von Reifen, Bremsbelägen und Fahrbahnen. Aber auch Industrieanlagen sowie Heizungen verursachen Staub- und Rußpartikel, die dann von Menschen eingeatmet werden. Mehr als die Hälfte des Feinstaubs werde aber von außerhalb in die Stadt getragen, sagt Manfred Breitenkamp von der Berliner Umweltverwaltung. Und dies hänge wiederum stark vom Wetter ab.

2003 waren die Grenzwerte zum Beispiel an mehr als 100 Tagen überschritten worden. 2004, als oft starke Westwinde wehten, waren es dagegen nur etwas mehr als 40 Tage, an denen es erhöhte Werte gab. Die Teilchen werden dabei oft über mehrere hundert Kilometer geweht. Auch Sand aus der Sahara ist bereits auf Berlins Straßen angekommen. Bei Ostwind transportiert der Wind vorwiegend den Staub aus den Industrieanlagen der EU-Beitrittsländer gen Westen. Hier gelten jetzt aber auch die strengen Vorgaben, so dass die Belastung in den folgenden Jahren zurück gehen wird.

Die Grenzwerte dürfen maximal an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Auch dies sei schon ein Kompromiss gewesen, sagt Friedrich. Doch ein niedrigerer Wert habe sich nicht durchsetzen lassen. Mit schon 16 Tagen wurde der Grenzwert in diesem Jahr bisher an einer Messstelle in München am häufigsten überschritten. Es folgen Dortmund mit 14, Frankfurt (Main) mit 12 sowie Düsseldorf, Essen und Berlin mit je 10 Tagen.

Die Berliner Umweltverwaltung hat jetzt einen Luftreinhalte- und Aktionsplan bis 2010 vorgelegt, um den Feinstaub-Anteil in der Luft zu verringern. Er sieht vor, dass die Innenstadt zu einer „Umweltzone“ erklärt wird, in der von 2008 an nur noch solche Dieselfahrzeuge fahren dürfen, die mindestens die Schadstoffklasse II erfüllen. Von 2010 an sind dann nur noch Fahrzeuge ab der strengeren Schadstoffklasse III und mit Rußfilter erlaubt.

Von den 1,5 Millionen in Berlin gemeldeten Kraftfahrzeugen erfüllen heute 70 000 Diesel–Pkw und etwa 40 000 Lastwagen diese Normen nicht. Und gar nicht enthalten in diesen Statistiken seien die Baumaschinen, kritisiert Friedrich. Nach seinen Angaben verursachen sie immerhin etwa 30 Prozent des Feinstaubs im Verkehrsbereich. Doch ein Rußfilter für diese Maschinen sei bisher nur in der Schweiz vorgeschrieben.

In Deutschland gibt es dagegen keine Nachrüstpflicht – weder für Baufahrzeuge noch für Personen- oder Lastwagen. Die Bundesregierung will den Einbau von Filtern nach einem langen Hin und Her jetzt aber steuerlich fördern. Die Nachrüstung kostet bei Pkw laut der Berliner Umweltverwaltung derzeit etwa 2500 bis 4500 Euro, bei Lastwagen sind es 4000 bis 7000 Euro.

Viel weiter gegangen sind bisher nur Stockholm und London. In Stockholm wurde ein generelles Tempolimit von 35 Kilometern in der Stunde eingeführt, London hat den Verkehr im Zentrum seit Einführung einer City-Maut (acht Euro pro Tag) erheblich reduziert. Italienische Städte haben auch schon tageweise Fahrverbote ausgesprochen.

Auf solche Maßnahmen setzt auch der Berliner Europaabgeordnete der Grünen, Michael Cramer. Wenn die Städte dazu nicht in der Lage seien, müsse die EU verbindliche Vorgaben erlassen. Die Drohung, Geldbußen zu verhängen, wenn die Grenzwerte weiter überschritten werden, reiche nicht aus. Friedrich setzt hier auf die Einsicht. Schließlich sei es Aufgabe der Politiker, die Gesundheit der Menschen zu schützen. Und dazu gehörten auch unpopuläre Maßnahmen.

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