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Panorama: Ein Punkt macht Karriere

Ob Monopolstellung oder Pflichtpfand, seit 14 Jahren ist das Duale System in der Diskussion – und in Europa im Aufwind

Seit 1991 scheidet der Grüne Punkt die Geister: Das Umweltbundesamt sieht ihn als wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Für manchen Ökologen ist er dagegen eine Mogelpackung, weil recycelte Verpackungen nicht so umweltfreundlich wie Mehrwegverpackungen sind. Wettbewerbshüter kritisieren, die Monopolstellung des Deutschen Dualen Systems (DSD), das die Lizenzen für den Grünen Punkt vergibt. Das blockiere den Wettbewerb um die günstigste Entsorgung von Verpackungen. Trotz manch kritischer Diskussion hat sich die kleine runde Markierung nun 14 Jahre lang auf Jogurtbechern, Zahnpastatuben und Gemüsekonserven gehalten. Und die Deutschen trennen weiterhin ordentlich ihren Müll.

„Weit mehr als die angestrebte Quote von 60 Prozent der Kunststoffabfälle werden wieder verwertet“, sagt Eckhard Willing, Recycling-Experte des Umweltbundesamtes. Damit sei Deutschland zusammen mit Österreich in dieser Disziplin Europameister. Der Grüne Punkt, der Verpackungen kennzeichnet, die wieder verwertet werden sollen, leiste so einen wichtigen Beitrag zur Schonung von Ressourcen wie Öl, Holz und Metall. Zudem wurden im vorigen Jahr 1,32 Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgase durch den Grünen Punkt vermieden, hat das Duale System errechnet.

Der Grüne Punkt stammt noch aus der Amtszeit von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU). Der wollte mit der Verpackungsverordnung die wachsenden Müllberge abbauen. Während Glas und Papier schon früher getrennt gesammelt wurden, landeten Kunststoffverpackungen bis in die achtziger Jahre im normalen Haushaltsmüll. So auch Verpackungen aus PVC, deren Verbrennung Dioxine produzieren kann. Die Vermeidung dieses Giftstoffes war einer der Gründe für die Einführung einer Wiederverwertung. Außerdem ging es um den effizienteren Umgang mit wertvollen Rohstoffen, schließlich wird Kunststoff auch aus Erdöl gewonnen. Zudem erspart die Wiederverwertung der Atmosphäre schädliche Emissionen, die bei der Müllverbrennung entstehen.

Umweltminister Töpfer entschied, dass die Verantwortung für das Recycling bei den Verpackungsherstellern liegen sollte. Die standen nun vor der Frage, wie ein flächendeckendes Verwertungssystem eingeführt werden könnte. Dabei stellte sich ein Problem ähnlich wie bei der Post: Während die Abholung und Verwertung in Ballungsräumen profitabel ist, ist Abfall-Recycling in ländlichen Gebieten aufwändig und teuer. Beim damaligen Stand der Technik erschien es unwahrscheinlich, die gewünschte Wiederverwertung durch normalen Wettbewerb landesweit zu gewährleisten. So entstand eine Recycling-Gesellschaft, die zumindest anfangs eine Alleinstellung hatte: Die Duales System Deutschland AG (DSD).

Die Aktiengesellschaft, die nicht börsennotiert und nicht gewinnorientiert ist, wurde von Industrie und Handel gegründet und erfüllt ihre Entsorgungs- und Recyclingverpflichtungen. Dafür vergibt sie gebührenpflichtige Lizenzen zur Verwendung des Grünen Punktes. Dabei gilt: Verpackungen, die geringere Kosten bei Sammlung, Sortierung und Verwertung verursachen, werden durch niedrige Lizenzentgelte belohnt. Die DSD tritt dabei als Dachorganisation in Erscheinung, sie betreibt keine eigenen Verwertungsanlagen. Sie organisiert die Sammlung, Sortierung und Verwertung in Deutschland mit der Unterstützung von rund 400 Entsorgungsfirmen. 1 Euro 70 monatlich, sagt die DSD AG, zahlt der Verbraucher durchschnittlich für das Recycling.

Doch seit einiger Zeit steht das Duale System nicht mehr konkurrenzlos da. Denn die Wiederverwertung gebrauchter Verpackungen wird durch bessere Trenntechnologien immer lukrativer. Das recycelte Material hat immer bessere Qualität und kann für mehr neue Produkte verwendet werden. Anfangs wurden aus dem Recycling-Material Gartenmöbel gegossen, heute gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten.

Diese Entwicklung hat Wettbewerber wie die Mainzer Firma Landbell auf den Plan gerufen, die in das Recycling-Geschäft mit dem Grünen Punkt einsteigen wollen. Unterstützt werden sie dabei von deutschen und europäischen Wettbewerbshütern. Die stören sich schon lange am Quasi-Monopol der DSD AG, das zu künstlich hohen Recycling-Kosten führe. Landbell hat mittlerweile Genehmigungen für Hessen und Hamburg. „Wir wollen aber möglichst bald in allen Bundesländern aktiv werden“, sagt Landbell-Chef Wolfgang Schertz. Der Verbraucher merkt von dem Alternativ-Recycler nichts, da die Konkurrenten vorläufig die gleichen gelben Säcke und Tonnen verwenden müssen. „Wir könnten zu noch geringeren Kosten arbeiten, wenn wir unser eigenes System aufbauen könnten“, sagt Schertz.

Nicht nur die Konkurrenz macht dem DSD zu schaffen: Durch das Pfand auf Getränkeverpackungen gingen im vergangenen Jahr Umsatzerlöse von rund 177 Millionen Euro verloren. 1,7 Milliarden Euro Umsatz erzielte das Duale System 2003. Doch der Grüne Punkt bleibt uns erhalten, er wird sogar auf immer mehr Verpackungen gedruckt. Weil es auch eine europäische Verpackungsverordnung gibt, breitet sich der Grüne Punkt über den Kontinent aus: 22 Länder setzen bereits auf das Zeichen mit den zwei Pfeilen.

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