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Panorama: Eine Luftnummer

Der angeklagte Stadtplanerbe Alexander Falk hat schlechte Karten

Zwölf Mal hat er alles aufgeboten, zwölf Mal ist er gegen die Wand der deutschen Gerichtsbarkeit gerannt. An allen Verhandlungstagen erscheint der ehemalige Star der New Economy, der Stadtplanerbe Alexander Falk, geschniegelt, im schmalen Einreiher, pastelliger Krawatte und mit smartem Lächeln zur Verhandlung. Vor ihm ein Notebook, an seiner Seite renommiertes Juristen-Personal. Der Zwischenstand im größten Hamburger Wirtschaftsprozess sieht jedoch nicht gut aus für den 35-Jährigen. Falk sitzt seit 20 Monaten mit Vergewaltigern, Mördern und Räubern unter einem Dach. So eine Untersuchungshaft ist für einen feinen Hanseaten eine schlimme Sache – und es scheint, als bliebe es so. Nach mehr als einem dutzend Haftentlassungsanträgen hat das Hamburger Landgericht unter Vorsitz von Richter Nikolaus Berger einen 34 Seiten langen Haftbeschluss erlassen, der sich liest wie ein Urteil. Tenor: Falk ist weiter dringend tatverdächtig und bleibt wegen Fluchtgefahr im Gefängnis.

Jetzt fangen auch noch die Mitangeklagten an, Geständnisse abzulegen. Falk und seine ursprünglich fünf Mitangeklagten sollen am 19. September 2000 in einem Meeting beschlossen haben, die Umsätze des bereits schwächelnden Internet-Unternehmens Ision AG durch „Luftgeschäfte“ zu beschönigen, um es dann zu überhöhtem Preis zu verkaufen. Es sollen über Umwege Scheingeschäfte getätigt und so Umsätze suggeriert worden sein. Das Geld dafür soll von der Schweizer Firma Distefora, zu 34 Prozent damals in Falks Besitz, geflossen sein.

Doch wie kann man eine solche Manipulation des Börsenwertes nachweisen? Die Staatsanwälte mussten zum Nachweis der fünf vorgeworfenen Manipulationen Detektivarbeit leisten. Dabei gingen sie den umgekehrten Weg, erklärte Staatsanwalt Heyner Heyen gegenüber dem Tagesspiegel. „Über Zeugenbefragungen wurden wir auf die Buchungen aufmerksam“. Dann überprüften die Erwittler jede einzelne Buchung in der fraglichen Zeit in den sichergestellten Unterlagen und entdeckten, dass „die fünf Buchungen nicht leistungsunterlegt waren“.

Schweren Betrug, Kursmanipulation und Steuerhinterziehung werfen Heyen und seine Kollegin den Männern nun vor. Zehn Jahre Haft sind für Falk drin. Das Verfahren gegen einen der Mitangeklagten ist inzwischen wegen Krankheit eingestellt. Falk und der ehemalige Finanzchef der Ision AG sitzen als Einzige in Haft. Die Ision wurde Ende 2000 an den britischen Telekomanbieter Energis für rund 800 Millionen Euro verkauft. Energis ging wenig später pleite. Ob nun die geschönten Zahlen Anreiz zum Kauf, oder etwa eine durch den Kauf erwartete vorteilhafte Stellung des Telefonanbieters auf dem Festland waren, bleibt im Prozess zu klären. Bislang war das Verfahren, das nun seit dem 3. Dezember vergangenen Jahres in Hamburgs noblem Plenarsaal läuft, aber ein reines Messerwetzen der Juristen.

Die drei Anwälte von Falk versuchen alles, das Verfahren zu stoppen. Sechs Befangenheitsanträge gegen die Richterschaft blieben aber erfolglos. Gerhard Strate, Falks Verteidiger und renommierter Revisionsanwalt, gibt sich siegessicher. „Ich gehe im Ergebnis davon aus, das Falk freigesprochen wird“, sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Er halte den Beschluss, nach dem sein Mandant in Haft bleiben muss, „für abwegig“. „Für den Betrugsvorwurf gibt es keine Beweise.“ Er fertigt gerade den nächsten Antrag, den er „notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht“ bringen will.

Seine These wird vom Teilgeständnis des mitinhaftierten ehemaligen Finanzchefs nicht bestätigt. Der räumte in seinem Geständnis vergangene Woche ein: „Ich habe drei Umsätze verbucht, die nicht mit einer Leistung unterlegt waren.“ Von Luftgeschäften könne aber keine Rede sein. Er habe bei den Buchungen auf Druck unter anderem von Falk gehandelt. Auf den Kauf der Energis haben die Zahlen, wenn sie denn geschönt seien, keinen Einfluss gehabt.

Die geplatzte Internet-Blase hinterließ böses Blut. Wie es schien, hatte nur Falk am Geldsegen durch den Verkauf partizipiert. Die anderen fühlten sich durch ihn übervorteilt. Das führte sogar zu einer Erpressungsanzeige von Falk gegen einen der ehemaligen Geschäftsfreunde.

Wie kam alles raus? Ein findiger Aktionärsschützer, der Schweizer Johann-Christoph Rudin, dem die Machenschaften komisch vorkamen, kopierte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion sämtliche aufzufindenden Papiere der Ision AG und Distefora. Und fand das verhängnisvolle Protokoll.

Wann ergeht das Urteil? Es sollen noch 76 Zeugen gehört werden. Es wird also dieses Jahr nichts mehr.

Savina Koch[Hamburg]

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