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Reifen brennen in der Favela Complexo do Alemao während Beamte im Einsatz sind.

© Jose Lucena/TheNEWS2 via ZUMA Press Wire/dpa

Update

Erneut heftige Schusswechsel: Mindestens 18 Tote bei Polizeieinsatz in Rio de Janeiro

Es ist der dritte blutige Einsatz in einer Favela seit der Amtseinführung von Cláudio Castro. Dieses Mal ging es um Fahrzeug- und Frachtdiebstähle.

Bei einem Polizei-Einsatz in einem der größten Armenviertel der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro sind mindestens 18 Menschen getötet worden. Davon seien 16 mutmaßliche Kriminelle gewesen, teilte die Polizei am Donnerstagabend mit.

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Bei einem der beiden anderen Opfer handelte es sich demnach um einen Polizisten. Das brasilianische Nachrichtenportal „G1“ berichtete zudem von einer getöteten Bewohnerin des „Complexo do Alemão“ im Norden Rios.

Ziel der Aktion in dem aus mehreren Favelas bestehenden Komplex mit rund 70 000 Bewohnern war demnach eine Bande, die Fahrzeug- und Frachtdiebstähle begangen sowie Banken überfallen haben soll.

Es wäre ihm „lieber gewesen, sie hätten nicht reagiert, aber leider haben sie es bevorzugt, die Polizei anzugreifen“, sagte Polizeisprecher Ronaldo Oliveira bei einer Pressekonferenz.

400 Polizisten im Einsatz

Zudem hätten Kriminelle mit Barrikaden versucht, die Polizei zu behindern. Der Einsatz hatte am frühen Morgen begonnen, an die 400 Polizisten - unterstützt von vier Helikoptern und zehn gepanzerten Fahrzeugen - waren beteiligt.

Die Polizeikräfte fahren durch die Straßen der brasilianischen Favela.
Die Polizeikräfte fahren durch die Straßen der brasilianischen Favela.

© REUTERS/Ricardo Moraes

Augenzeugen berichteten in sozialen Medien von heftigen Schusswechseln. In einem Video der auf Nachrichten aus den Favelas spezialisierten „Voz das Comunidades“ war zu sehen, wie Bewohner weiße Tücher schwenkten.

„Das hier ist nicht die Ukraine“ schrieb ein Nutzer unter ein Video, auf dem die Leuchtspur von Geschossen zu sehen ist. Andere kritisierten das Oberste Gericht Brasiliens, das große Polizeieinsätze in Rios Favelas während der Pandemie untersagt hat.

Dank der Richter verfügten die „Terroristen“ nun über schwere Waffen, um Polizisten in Panzerwagen und Hubschraubern zu beschießen, schreibt ein Nutzer.

Auch ein Polizeisprecher hatte das Oberste Gericht kritisiert. Da Großeinsätze in Rio untersagt sind, würden immer mehr Kriminelle aus anderen Regionen in Rios Armenvierteln Unterschlupf suchen, weil sie sich hier vor der Polizei sicher fühlten.

In Sozialen Medien wurden Menschenrechtsorganisationen attackiert, die angeblich die Kriminellen beschützen und die Polizei dämonisieren.

Der rechtspopulistische Präsident Jair Messias Bolsonaro gedachte in seiner donnerstäglichen Internet-Live-Schalte des getöteten Polizisten. „Leider gibt es heute in Rio Gebiete, in denen die Polizei dank des Obersten Gerichts nicht aktiv sein darf“, so Bolsonaro.

Der Ex-Militär vertritt die Position, dass die Polizei freie Hand bei der Bekämpfung der Kriminalität haben sollte. So setzt er sich für generelle Straffreiheit für Polizisten und Soldaten ein, die im Dienst eine Person töten oder verletzen.

Bereits mehrfach gewaltvolle Polizeieinsätze

Das Blutbad im „Complexo do Alemao“ ist bereits das dritte innerhalb von 14 Monaten mit insgesamt über 60 Toten. In allen drei Fällen berichten Anwohner über regelrechte Hinrichtungen durch die Polizei. Diese widerspricht; es habe sich um bewaffnete Kriminelle gehandelt.

Im Juli 2020 hatte der Oberste Gerichtshof in Brasília Polizei-Einsätze in Favelas während der Corona-Pandemie ausgesetzt. Diese sind nur in „absoluten Ausnahmefällen“ erlaubt. Der oberste Gerichtshof in Brasília entschied, dass die Regierung von Rio de Janeiro Maßnahmen ergreifen müsse, um die Tödlichkeit von Polizeieinsätzen zu verringern.

Der im Mai vergangenen Jahres ins Amt eingeführte Gouverneur Claudio Castro ist ein Verbündeter von Jair Bolsonaro. Brasiliens rechter Präsident spricht sich dafür aus, dass Polizisten nicht juristisch belangt werden können, wenn sie im Einsatz Menschen töten. Drei der vier Polizeieinsätze in Rio mit den meisten Toten ereigneten sich in den vergangenen 14 Monaten.

Im Mai waren bei einem Polizei-Einsatz in dem Armenviertel Vila Cruzeiro in Rio 24 Menschen ums Leben gekommen. Vor mehr als einem Jahr hatten Polizisten beim blutigsten Einsatz in Rios Geschichte in der Favela Jacarezinho sogar mindestens 28 mutmaßliche Mitglieder von Drogenbanden getötet.

Auch Unbeteiligte verletzt

Mächtige Banden ringen in den Armenvierteln um Kontrolle bei Drogenhandel und Schutzgeldgeschäften. Die Gewalt schwappt immer wieder auch auf andere Teile Rios über und trifft Unbeteiligte.

2021 töteten Sicherheitskräfte in dem südamerikanischen Land mehr als 6000 Menschen, wie aus einem Gewaltmonitor hervorgeht, der vom Nachrichtenportal „G1“, dem Brasilianischen Forum für öffentliche Sicherheit und der Universität von São Paulo betrieben wird. (dpa)

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