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Panorama: Es ist Sonntag in Berlin- Moabit, die Sonne scheint

Ich hab nicht wirklich was zu tun, also geh ich auf den Fußballplatz bei mir um die Ecke, einfach nur ein bisschen Fußi matchen. Ich bin alleine, eigentlich gehe ich immer mit Freunden, heute waren alle zu faul.

Ich hab nicht wirklich was zu tun, also geh ich auf den Fußballplatz bei mir um die Ecke, einfach nur ein bisschen Fußi matchen. Ich bin alleine, eigentlich gehe ich immer mit Freunden, heute waren alle zu faul. Aber egal, denn normalerweise ist jemand da, mit dem man spielen kann. Heute kann ich es schon auf der Brücke hören, von der es noch gut 200 Meter bis zum Platz sind:

„Ey ticka spiel mal Ball jetz.“

„Ja was du Opfer rede mal nich du verkackst do sowieso.“

Um auf den Platz zu kommen, muss man ein bisschen durchs Dickicht, die anderen haben also schon genug Zeit, mich zu betrachten und festzustellen, dass ich keinen Migrationshintergrund habe. Der große Fette mit dem Schnurrbart fragt mich gleich: „Ey du, bist du Deutscher? Deutsche Kartoffel oder wie, was los?“ Ich bin erst mal ziemlich perplex, aber dann ist es mir egal, weil die Sonne scheint, weil ich endlich Fußball spielen will.

Ich sage Ja, und was es zur Sache tut, und dass ich mitspielen will. Dabei muss man schon ein bisschen wie sie reden. Seine Stimme ein bisschen verstellen, mit diesem Akzent, nicht überziehen, sonst denken sie, du verarschst sie, aber ein bisschen so tun als ob. Er sagt also o. k., passt, ich darf mitspielen. In dem einen Team ist einer zu wenig. Für zwanzig Minuten geht es, dann fangen sie an untereinander ein wenig zu pöbeln, auf Türkisch natürlich. Türkisch ist cooler. Deutsche, die kein Türkisch sprechen, aber dazugehören wollen, lernen Türkisch und fangen sogar an, den Koran zu lesen, das ist mir schon aufgefallen. Es ist wirklich cool geworden, alles außer deutsch zu sein.

Der ältere Bruder von dem Dicken, der mich gefragt hat, ob ich deutsch bin, kommt an, er will mitspielen. „Deutscher“, ruft der Dicke, nach meinem Namen hat er gar nicht erst gefragt, „dieser Junge hier, er will mitspieln, verpiss dich ma jetz.“ Ich will keinen Stress anfangen, deswegen geh ich. Auf dem Fußballplatz bin ich ab jetzt nur noch an Ramadan. O. k., natürlich nicht. Aber auf etwas gefasst sein sollte man auf jeden Fall.

Viktor K., 16 Jahre

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