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Panorama: Expo: Reinhard Volk: "Die geplante Besucherzahl ist unwahrscheinlich" (Interview)

Reinhard Volk ist Geschäftsführer der Expo 2000. Für die letzten Wochen der Weltausstellung erwartet er einen Besucheransturm.

Reinhard Volk ist Geschäftsführer der Expo 2000. Für die letzten Wochen der Weltausstellung erwartet er einen Besucheransturm.

Herr Volk, seit Jahren preisen Sie die Expo 2000 in Hannover an. Warum kommen viel weniger Besucher als erwartet?

Das hat ganz verschiedene Ursachen. Zum einen sind unsere Erwartungen, gemessen an den tatsächlichen Besucherzahlen, zu hoch gewesen. Wobei man nicht vergessen darf, dass auch andere Weltausstellungen gezeigt haben, dass die Veranstaltungen immer sehr verhalten beginnen. Und wenn die Menschen dann merken, dass die Weltausstellungen befristet sind, dann setzt ein großer Zustrom ein. Deshalb werben wir jetzt mit dem Slogan "Das kommt nur einmal, das gibt es nie wieder". Gewiss, es ist unwahrscheinlich, dass bis zum Ende der Expo in Hannover noch so viele Besucher kommen, dass wir unsere geplante Zahl von 40 Millionen erreichen werden. Aber vor zwei Jahren begann die Expo in Lissabon auch nur mit rund 17 000 Tagesbesuchern. Am drittletzten Tag waren es 334 000 Besucher.

Das wussten Sie doch aber schon vor der Eröffnung. Wieso haben Sie bis zuletzt auch Ihre Finanzplanung auf so hohen Besucherzahlen aufgebaut?

Die Effekte sind ganz offensichtlich viel stärker als wir angenommen haben. Und im übrigen stammen die Zahlen von 1992.

Sie wurden aber bis Anfang Juni 2000 nicht korrigiert.

Wir haben bis zuletzt Bestätigung durch Untersuchungen von unabhängigen Marktforschungsinstituten erhalten. Alle Gutachten kamen zu dem Ergebnis, dass 40 Millionen Tageseintritte möglich sind. Wir mussten unsere gesamte Planung auf dieser Größenordnung aufbauen. Auch die Planer der nächsten Weltausstellung in fünf Jahren in Japan müssen mit solchen Zahlen rechnen. Schon jetzt muss das Gelände und die öffentliche Infrastruktur geplant werden. Ich weiß nicht, welche Planzahlen in Japan angesetzt werden. Aber ich erinnere daran, dass vor 30 Jahren in Osaka 64 Millionen Menschen auf dem Gelände waren. Und in Sevilla waren 40 Millionen Menschen. Ich nehme an, dass man für die Planung in Hannover unter anderem auf den internationalen Erfahrungswerten aufgebaut hat.

Sie nehmen das an und wissen es nicht?

Das ist ganz einfach. Die Expo GmbH wurde 1995 gegründet. Damals war weder ich bei der Gesellschaft beschäftigt noch die meisten anderen von den Mitarbeitern der Weltausstellungsgesellschaft, und wir haben diese Planungszahlen nicht unkritisch übernommen. Außerdem unterliegen Sie einer krassen Fehleinschätzung, wenn Sie glauben, dass das Expo-Gelände leer sei. Es gibt einen Unterschied zwischen dem tatsächlichen Bild und der durch die Presse veröffentlichten Meinung. Zwar gelingt es Fernsehteams immer wieder, wahrscheinlich in den frühen Morgenstunden, einzelne Menschen vor den Ausstellungshallen zu filmen. Tatsächlich sieht die Situation aber ganz anders aus. Vor den Hauptattraktionen bilden sich Schlangen. Wenn noch mehr Besucher nach Hannover kommen, dann hoffen wir allerdings, dass auch weniger spektakuläre, aber dennoch sehr interessante, Beiträge vor allem kleinerer Nationen mehr Beachtung finden werden. Denn im Ausland versteht man langsam nicht mehr, wieso die Deutschen im Zusammenhang mit der Expo immer nur über Geld reden. Man hat sich dort sehr engagiert und viel Geld investiert, um sich in Hannover zu präsentieren.

Die vergangenen Weltausstellungen fanden fast immer an Orten mit weltweitem Bekanntheitsgrad statt. War Hannover eine gute Wahl?

Berlin hat es auch nicht geschafft, die Olympischen Spiele zu sich zu ziehen. In Hannover findet die Expo 2000 statt. Hier gab es schon Anfang der neunziger Jahre das größte bestehende Messegelände der Welt. Da wir eine ressourcenschonende Weltausstellung veranstalten wollten, war das sehr wichtig. Viele der vorangegangenen Expos haben solch umfassende Nachnutzungskonzepte nicht gehabt. Heute rotten große Teile des Weltausstellungsgeländes in Sevilla vor sich hin. Nach der Expo 2000 in Hannover werden 80 bis 85 Prozent von allem, was hier gebaut wurde, nachgenutzt. Entweder vor Ort oder anderswo. Allein das Messegelände in Hannover wird nach der Expo das modernste der Welt sein.

Warum dominiert das finanzielle Defizit der Expo 2000 diese Weltausstellung so stark?

Möglicherweise wurden die wirtschaftlichen Erfolge der Expo von uns selbst in der Vergangenheit zu stark in den Vordergrund gestellt. Daran werden wir heute gemessen. Dazu kommt, dass die wirtschaftliche Situation einiger Gastronomen und Souvenirverkäufer durch die Besucherzahlen sehr angespannt ist. Das liefert Negativmeldungen. Und, man muss vielleicht auch eingestehen, dass es sehr schwierig ist, den Facettenreichtum und die Faszination der Weltausstellung zu vermitteln.

Interessieren sich die Menschen nicht für dieses anspruchsvolle Thema "Mensch-NaturTechnik"?

Ganz persönlich interessiert das Spannungsverhältnis von Mensch, Natur und Technik sicher sehr viele Menschen. Doch es ist sehr schwer, dieses Thema auf einer solchen Großveranstaltungen wie der Expo populär zu vermitteln. Der Unterhaltungswert ist wahrscheinlich schwer darzustellen. Viele Kritiker haben uns sogar vorgeworfen, dass das Thema kopflastig, veraltet und uninteressant sei und die Expo eine Veranstaltung für Kunsthistoriker und Studienräte. Das ist Quatsch. Allerdings ist es wirklich sehr schwer, die Balance zwischen inhaltlicher Information und dem Spaß auf der Weltausstellung zu vermitteln.

Kann die Spaßnudel Verona Feldbusch jetzt noch herausreißen, was Ihnen offensichtlich über Jahre hinweg nicht geglückt ist?

Verona Feldbusch und Sir Peter Ustinov repräsentieren sehr gut diese zwei Seiten der Medaille der Expo, Inhalte und Spaß. Jetzt, wo wir die Faszination der Veranstaltungen und die Emotionen der Besucher auf dem Gelände auch an praktischen Beispielen zeigen können, wird es uns besser als vorher gelingen, den Menschen zu beweisen, dass ein Besuch in Hannover wirklich lohnt. Hier kann man eine Weltreise in zwei bis drei Tagen unternehmen, man kann Kultur genießen, Tangokurse machen und vieles mehr. Kern der Kampagne ist allerdings die zeitliche Begrenzung der Veranstaltung. Wer nicht hier war, wird nie wieder in seinem Leben die Chance haben, eine Weltausstellung in Deutschland zu besuchen.

Wird die teure Kampagne am Ende auch dazu beitragen, das von Experten mittlerweile auf zwei Milliarden Mark geschätzte Defizit der Expo zu verringern?

Das Ziel, eine Expo mit einem ausgeglichenen Ergebnis zu veranstalten, war sehr ehrgeizig. Man darf allerdings bei der Defizitdiskussion nicht vergessen, dass die Expo Gesellschaft allein in das Hannoveraner Messegelände 500 Millionen Mark investiert hat. Diese Investitionen gehen nach der Expo an die Messegesellschaft in Hannover über, ohne dass wir dafür eine Vergütung bekommen. Darüber hinaus gehen Infrastrukturinvestitionen von weit über 100 Millionen Mark kostenlos an die Stadt Hannover über. Und, das wird häufig vergessen, die Expo muss volkswirtschaftlich betrachtet werden. Experten haben allein die Steuermehreinnahmen auf vier Milliarden Mark geschätzt. Darüber hinaus kommt es zu volkswirtschaftlichen Positiveffekten von rund 15 bis 17 Milliarden Mark durch Arbeitsplätze, Sozialabgaben und vieles mehr. Der größte Teil des Geldes, das wir investieren, geht in Bereiche, die in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren in der Region Hannover nachgenutzt werden.

Herr Volk[seit Jahren preisen Sie die Expo 2000 i]

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