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Fahrradtour: Ohne Augenlicht im Sattel

11.500 Kilometer und mehr als acht Monaten im Sattel: Sebastian Burger ist am Ende einer ungewöhnlichen Fahrradtour angelangt. 20 Blinde begleiteten den Bremer Studenten etappenweise bei der Reise durch rund ein Dutzend Länder.

Singapur - Am Montag trafen der 26-Jährige und fünf Mitstreiter in Singapur ein, darunter auch zwei Blinde, die auf der letzten Etappe von Bangkok bis in den Stadtstaat am Äquator auf zwei Tandems mitgeradelt waren. Insgesamt waren 20 Menschen ohne Augenlicht etappenweise bei der Reise durch rund ein Dutzend Länder dabei - voller Begeisterung. «Wir haben unglaublich freundliche Menschen getroffen», berichtete etwa der blinde Österreicher Ramon Kathrein (24), der von Thailand bis Singapur mitgefahren war.

Während Sebastian Burger das eine Tandem steuerte, saßen abwechselnd Freunde am Lenker des zweiten Doppelsitzers. Die allermeisten ihrer blinden Fahrgäste kamen aus Deutschland und Österreich, aber auch sechs sehbehinderte Inder nahmen sie auf der acht Monate dauernden Tour mit. Ein neues «Freiheitsgefühl» habe der Fotografie-Student seinen Mitradlern ohne Augenlicht verschaffen wollen.

«Ich wollte, dass sie der Geist des Abenteuers erfasst, den die meisten von ihnen sonst nie spüren würden.» Und das Tandem sei eben wie geschaffen für diesen Zweck. Schon auf einer Tour durch Südamerika 2001/2002 hatte er Wildfremde spontan auf den Doppelsitzer eingeladen und ein Stück mitgenommen. «Jetzt wollte ich noch eins draufsetzen.» Nachdem die Christoffel-Blindenmission in Burgers südhessischer Heimatstadt Bensheim die Schirmherrschaft für die Tour übernommen hatte, ging es am 9. Juli vergangenen Jahres in Bremen los. Den «Piloten» auf den Tandems fiel die Aufgabe zu, ihren behinderten Mitfahrern Gegend, Menschen und Tiere entlang der Strecke zu beschreiben.

Jenseits der deutschen Grenze folgten zunächst Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Dann kamen die Türkei und der Iran. Dort machte Burger das nach seinen Worten schönste Erlebnis des Trips: «die bedingungslose Gastfreundschaft», selbst wenn die Gruppe im Iran zwei Mal für 24 Stunden im Polizeigewahrsam landete, weil sie militärischen Sperrgebieten zu nahe gekommen war. In Pakistan stiegen die Radler dann aus Sicherheitsgründen vom Sattel ab und in Busse und Züge um. Das abgeschottete und von Militärs regierte Birma auf der Route hinter sich zu lassen, gelang nur per Flugzeug.

Vor Birma lag die Etappe durch Indien, wo Burger angesichts des mörderischen Verkehrs inmitten von Staub, Dreck und immer währendem Lärm seine schlimmsten Erfahrungen machte. «Dort haben wir jeden Tag auf der Straße unser Leben riskiert.» Eine Woche verbrachte der 26- Jährige mit einer Magen-Darm-Infektion im Krankenhaus («Da liefen Ratten herum»), später zog er sich noch eine Lungenentzündung zu. Obwohl er in Indien wie in anderen Ländern auch bei gastfreundlichen Einheimischen und in Tempeln übernachtete, steht für ihn fest: «Indien - nie wieder, jedenfalls nicht mit dem Fahrrad.»

Doch ein unvergessliches Erlebnis war die Tour zweifellos, vor allem für die blinden Mitfahrer. Einfach neue Kulturen und Länder habe er kennen lernen wollen, berichtet Ramon Kathrein, der im hessischen Marburg Politikwissenschaften studiert. Und das sei bei einer sechswöchigen Tour durch zwei Länder durchaus gelungen. «Man ist natürlich mehr auf andere Menschen angewiesen als sonst», sagt der Österreicher mit der Strubbelmähne. «Aber so unvertraut war es mir dann doch nicht, schließlich gehe ich ja auch campen.»

Während seine Mitradler zu den verschiedenen Etappen mit dem Flugzeug an- und später wieder ab abreisten, hat Sebastian Burger wiederum eine gemächliche Art der Heimkehr gewählt - mit dem Frachtschiff, das ihn nach rund drei Wochen wieder in Deutschland absetzen wird. Dort freue er sich vor allem auf ein geregeltes Leben: «Dass es da mein Bett gibt, Schwarzbrot und dass man im Internet-Café nicht um einen Platz kämpfen muss.» (Von Frank Brandmaier, dpa)

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