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Frankreich: Freispruch im Prozess um tote Sonnentempler

Nach dem gewaltsamen Tod von 16 Anhängern der Sonnentempler-Sekte Mitte der 90er Jahre ist einer der angeblichen Anstifter, Michel Tabachnik, der Bluttat in Frankreich freigesprochen worden.

Grenoble - Der Schweizer Dirigent Michel Tabachnik konnte im Berufungsverfahren in Grenoble den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Dem 64-Jährigen war vorgeworfen worden, durch Schriften und Reden "eine tödliche Dynamik" unter den Sektenjüngern ausgelöst zu haben. Ende 1995 waren auf einer Lichtung im Vercors-Massiv nahe Grenoble die verkohlten Leichen der Sonnentempler gefunden worden, darunter mehrere Kinder. Laut Gerichtsmedizinern standen 14 Opfer unter starkem Medikamenteneinfluss, als sie mit Pistolenschüssen in den Kopf getötet wurden.

In dem "Orden" hatte sich seit den 50er Jahren eine selbst ernannte "Elite mit Wiederauferstehungs-Mission" zusammengefunden. Tabachnik, der bis Anfang der 80er Jahre das Philharmonie-Orchester von Metz leitete und dann als freier Dirigent arbeitete, ist der Einzige, der nach der Bluttat je vor Gericht stand. Die mutmaßlichen Hauptverantwortlichen, Sektenchef Joseph Di Mambro und sein Prediger Luc Jouret, nahmen sich im Oktober 1994 in der Schweiz das Leben. Insgesamt kamen zwischen Oktober 1994 und Dezember 1995 bei kollektiven Tötungen und Selbstmorden 65 Anhänger der Sekte in der Schweiz, Kanada und Frankreich ums Leben.

Tabachnik war 2001 in erster Instanz freigesprochen worden. Sein Anwalt hatte im Berufungsverfahren die Schriften seines Mandanten als "esoterisches Gefasel" bezeichnet, das aber unter das Recht auf freie Meinungsäußerung falle. Die Staatsanwaltschaft, die im ersten Verfahren noch fünf Jahre Gefängnis gefordert hatte, forderte in zweiten Instanz überraschend keine Strafe mehr, sprach sich aber auch nicht für Tabachniks Freispruch aus. (tso/AFP)

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