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Panorama: Freier hatten zehn Minuten Zeit

Das antike Bordell von Pompeji wird restauriert

Es gehört zu den Höhepunkten jeder Reise nach Pompeji, das Haus an der Kreuzung von Vico del Lupanare und Vico del Balcone Pensile. Hier steht das Lupanar des Africanus, das Freudenhaus der im Jahr 79 nach Christi Geburt untergegangenen Stadt am Vesuv. Es gilt heute als das einzige wissenschaftlich zweifelsfrei identifizierbare Bordell der Antike.

Der Höhepunkt im Bordell muss zurzeit allerdings entfallen. Das 1862 ausgegrabene Lupanar wird restauriert und soll erst im Herbst dieses Jahres wieder zugänglich sein. Bis dahin lässt die Soprintendenza Archeologica di Pompei die Spuren der Witterung und der jährlich zwei Millionen Touristen beseitigen. Nicht nur das Lupanar, ganz Pompeji ist vom Verfall bedroht. 250 Millionen Euro, so die Schätzungen, würde es kosten, um wenigstens den derzeitigen Zustand des Weltkulturerbes zu sichern. Doch das Geld ist knapp. Rund neun Millionen Euro bringen die Eintrittsgelder, dazu kommen Spenden und Sponsorengelder. Für die Restaurierung des Lupanars hat die Soprintendenza 400000 Euro veranschlagt.

Das antike Bordell ist einer der Stars im Pompeji-Programm. Der Wittener Historiker und Archäologe Karl-Wilhelm Weeber bescheinigt dem Etablissement allerdings ein ausgesprochenes „Schmuddelambiente“. Die fünf fensterlosen Zimmer, die „cellae“, im Erdgeschoss sind nur wenige Quadratmeter groß, die steinerne Liege füllt alleine die Hälfte der Kammer aus. „Die hygienischen Zustände waren aus heutiger Sicht äußerst problematisch“, erklärt Weeber. Die Räume seien durch Kerzen völlig verrußt gewesen. Prächtig muten nur die berühmten erotischen Fresken an, die über dem Eingang der Zellen die Freier locken sollten. „Sie dienten als Anmache für die Männer im Wartebereich und sollten ihnen ein anderes Ambiente vorgaukeln.“ Spätestens, wenn die „lupa“ – eine stark umgangssprachliche lateinische Bezeichnung für eine Prostituierte – den Kunden hereingebeten und das Schild „occupata“, besetzt, an die Tür gehängt hatte, wich die Illusion der harten Realität des Billigbordells. Die Prostitution sei ein Geschäft im „Zehn-Minuten-Takt“ gewesen, beschreibt Weeber. „Die Einkerbungen auf den Liegen lassen darauf schließen, dass die Besucher nicht einmal die Schuhe auszogen.“

Dafür war das Vergnügen für jedermann erschwinglich. Graffitis an den Wänden verraten, dass der durchschnittliche Tarif zwei Asse betrug, was etwa dem Kaufwert von zwei Laibern Brot entsprach. Wenn eine Edelhure, wie eine gewisse „Fortunata“ ,23 Asse verlangen konnte, sei das wohl eine Ausnahme gewesen, so Weeber. Andere Inschriften, die der Historiker analysiert hat, charakterisieren die Frauen, die im Lupanar arbeiteten: Dass die Griechin Eutychis „moribus bellis“, also von nettem Wesen war, gehört dabei zu den wenigen zitierfähigen Beschreibungen. Eine Arbeit der Stanford University zählt insgesamt 134 Graffitis im Lupanar, mit denen sich meist Freier namentlich verewigten.

Der Besuch im Bordell fand keineswegs heimlich statt. „Prostitution gehörte zum Alltagsleben“, sagt Karl-Wilhelm Weeber. Allerdings habe sich die Forschung in den letzten zehn Jahren bemüht, den Eindruck zu korrigieren, die alten Römer und vor allem die Pompeijaner hätten sich permanent im Bordell herumgetrieben. Weeber verweist auf den berühmten Cato, der einmal einen „anständigen Mann“ aus einem Bordell herauskommen sah und diesen dafür lobte. Man müsse mit seiner Sexualität umgehen, ohne Schuld auf sich zu laden, wird Cato zitiert. Der Besuch einer Prostituierten galt nicht als Ehebruch. Als Cato den Mann jedoch häufiger aus dem Bordell kommen sah, soll er ihm gesagt haben: „Ich habe dich dafür gelobt, dass du ab und zu hierhin kommst, nicht dafür, dass du hier wohnst.“

Philipp Wittrock

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