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Panorama: Frühling macht gute Laune

FRANKFURT/MAIN .Besungen und bedichtet, lange erwartet und dann immer viel zu kurz: Der Lenz läßt endlich sein blaues Band flattern und verscheucht trübe Gedanken aus dunklen Wintertagen.

FRANKFURT/MAIN .Besungen und bedichtet, lange erwartet und dann immer viel zu kurz: Der Lenz läßt endlich sein blaues Band flattern und verscheucht trübe Gedanken aus dunklen Wintertagen.Explodierende Knospen und lärmende Vögel, die die Menschen ins Grüne und den "Verliebtheitsindex" in die Höhe treiben - und das obwohl wir uns doch von den Rhythmen der Natur längst abgekoppelt haben.

Peter Fey, Psychiater an der Universitätsklinik in Frankfurt (Main), sieht zwar Anzeichen, daß die Menschen immer unabhängiger von Jahreszeiten leben, will aber das Stimmungshoch im Frühling nicht abstreiten."Menschen, die an der Herbst-Winterdepression leiden, leben jetzt richtig auf," sagt er.Die schlechte Winterlaune verkehre sich häufig sogar ins Gegenteil, die Melancholie schlägt um in überschwengliche Glücksgefühle.Davon sind aber nur rund fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung betroffen.

Und der Rest? Der Zusammenhang von Stimmung und Jahreszeiten sei sehr schwer meßbar, erklärt Fey.Immerhin: Daran, daß die Dynamik in der Natur, das intensivere Licht, die längeren Abende und mehr Bewegung im Freien die Stimmung heben können, läßt der Experte keinen Zweifel.Aber das gelte durchaus nicht für alle.So sei die Selbstmordrate in vielen Ländern gerade im Frühling am höchsten."Ein Grund könnte sein, daß der Frühling den Antrieb von depressiven Patienten soweit erhöhe, daß sie zur Tat schreiten," vermutet Fey."Bisweilen kann der Kontrast des eigenen Zustands mit der Umwelt alles noch schlimmer machen", glaubt auch die Psychologin Doris Wolf aus Mannheim.

Aus Sicht des Physiobiologen und Stoffwechselexperten Roland Prinzinger von der Universität Frankfurt gibt es dagegen keinen Zweifel daran, daß im Frühling der Organismus bei den Tieren wie beim Menschen "Gas gibt".Schuld daran ist das Hormon Melatonin, das in der Zirbeldrüse im Gehirn produziert wird.Der erhöhte Lichteinfall im Lenz hemmt die Produktion des Hormons, das schläfrig macht und den Sexualtrieb herabsetzt.Die nach dem Winter wieder erhöhte Ausschüttung des männlichen Sexualhormons hebt aus Sicht des Wissenschaftlers die Stimmung, wirkt sich aber auch auf Herz, Kreislauf und das seelische Wohlbefinden aus.

Der Melatoninhemmer Licht erkläre auch, warum im Wonnemonat Mai früher die meisten Kinder gezeugt wurden, sagt Prinzinger.Bisweilen sei der Organismus aber von seiner eigenen Aktivität überfordert, so daß man sich wieder müde und abgeschlafft fühle - typische Symptome der Frühjahrsmüdigkeit.Der Grund sei ein Mangel an Mineralstoffen, etwa Kalzium, von dem der Körper im Frühling einfach mehr brauche.

Auch der Psychologe Alfons Hamm von der Universität Greifswald hält die saisonal gute Laune für erwiesen."Das Licht im Frühjahr regt die Serotoninproduktion an".Der Botenstoff, der auch in Schokolade enthalten sei, steigere den Antrieb und führe bei vielen dazu, daß sie "gut drauf" sind, sagt Hamm.

Für die Psychologin Wolf spielen neben dem Glücksstoff auch die atmosphärischen Reize eine große Rolle: "Wenn es draußen blüht und grünt und die Vögel zwitschern, wirkt das einfach anregend.Frisches Obst und Gemüse stimulieren zusätzlich den Organismus."

BARBARA SPITZER (AP)

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