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Panorama: Gott lebt – oder nicht?

Wie ein Physiker mit einer Formel Aufmerksamkeit erregt

Gibt es Gott? Eine Glaubensfrage. Stephen Unwin, bekennender Christ und Physiker, hat den kühnen Versuch unternommen, die Wahrscheinlichkeit einer Existenz Gottes zu berechnen. In seinem Buch „The Probability of God“ kombiniert er religiöse Argumente mit den Regeln der Mathematik. Sein Ergebnis: Gott existiert mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent.

„Abstruser Unsinn“, sagt Martin Grötschel vom Konrad-Zuse-Zentrum. Der Unsinn geistert derzeit durch die Presse, vor allem die angelsächsische. Mathematiker sind nicht sehr froh, dass es Stephen Unwin ausgerechnet mit seinem Gottesbeispiel gelingt, einen ganz bestimmten Bereich der Mathematik wieder populär zu machen, der seit geraumer Zeit einen erheblichen Aufschwung registriert – in der Medizin, der Psychologie oder der Wirtschaft.

Es geht um das allgemein anerkannte Theorem des Mathematikers Thomas Bayes aus dem 18. Jahhundert zur Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten (P).

Die Formel lautet:

P(A/B) = P(A) P(B/A) / P(B)

Mit dieser Formel lässt sich zum Beispiel sagen, wie sicher es ist, dass ein Patient nach einem positiven Test auch tatsächlich krank ist und kein Testfehler vorliegt. „Man benötigt immer drei Größen um eine vierte zu berechnen“, erklärt Ehrhard Behrends von der FU Berlin, also bereits bekannte Wahrscheinlichkeiten, um eine Unbekannte zu ermitteln. Genau hier sieht Behrends das Problem in Unwins leicht abgewandelter Formel, wenn man sie für einen Moment ernst nimmt:

P(G/E) = A P(G) P(E/G)

Denn um herauszufinden, wie wahrscheinlich es ist, dass Gott existiert, wenn wir existieren – zusammengefasst als P(G/E) – müssten wir andere Fakten kennen: Erstens, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes an sich; P(G). Der zweite Faktor, P(E/G), gibt an, wie sicher es ist, dass wir existieren, wenn es Gott gibt. Drittens schließlich muss die Wahrscheinlichkeit von Existenz überhaupt bekannt sein – in dieser Formel nach Behrends Einschätzung mit A dargestellt. Genau dies aber sind „Zahlen, die für jede Spekulation offen sind“, erklärt der Mathematiker. Denn Unwins „Fakten“ zur Brechnungsgrundlage basieren auf Argumenten für und gegen Gott: Beobachtungen über übernatürliche Phänomene, menschliche Leiden, Facetten von Gut und Böse, Moral oder den freien Willen.

Unwin bestätigt auf Nachfrage „ein starkes subjektives Element“ seiner Berechnungen. Er habe jedoch versucht, den Grad der Subjektivität bei der Frage nach Gott zu minimieren, indem er das Denken systematisiert, teilte er am Telefon mit. „Ich habe nach Schwächen und Stärken der Argumente geschaut und gefragt, wie überzeugend eines im Vergleich zum anderen ist.“ Die Ergebnisse hat Unwin anschließend auf einer Skala angeordnet und die Werte in seine Gleichung einkalkuliert. „Der wichtigste Aspekt an dieser Zahl ist, dass sie produziert ist. 67 Prozent ist meine Wahrscheinlichkeit“ – doch jeder würde für sich eine andere erhalten. Weil jeder andere Argumente in die Formel einbauen und anders gewichten würde. Da sind wir wieder am Anfang. Bei der Glaubensfrage.

Christine Wetzel

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