zum Hauptinhalt
Eine Stadt putzt sich heraus. Ganz London wird für die Feierlichkeiten mit britischen Fahnen geschmückt (oben), die Tower Bridge (Mitte) hat pünktlich zum Jubiläum ihr neues umweltfreundliches Licht eingeschaltet – nach sechs Monaten Renovierung. Fotos: AFP/dapd/dpa

© AFP

Großbritannien: Königliche Party

Seit 60 Jahren regiert Elisabeth II. – das feiern die Briten an diesem Wochenende mit nie gesehener Monarchie-Begeisterung.

Union-Jack-Flaggen flattern über der Londoner Oxford Street, im ganzen Land sind Wimpelreihen über frisch gefegte Einkaufsstraßen gespannt, Schaufenster sind mit dem Porträt der Queen geschmückt, Partys vorbereitet und Tickets verkauft. Musikkapellen haben ihre Instrumente geputzt, die Kutschen der Queen und die Stiefel ihrer Gardesoldaten sind poliert. Tausend Boote wurden für den großen Festkorso auf der Themse mit Blumen und Fahnen geschmückt.

Vier Tage feiern die Briten ab diesem Wochenende Queen Elizabeth II. und ihr 60. Thronjubiläum. Eine Party, die alles in den Schatten stellen soll. „Dies ist das Jahr, in dem wir es wissen wollen“, hatte Premier David Cameron zum Superfestjahr mit „Jubilee“ und Olympischen Spielen in London versprochen. Am Sonnabend nimmt die Queen zum Auftakt wie jedes Jahr am 233. Epsom Derby teil – dem wichtigsten Pferderennen im Kalender. Am Sonntag folgt die Schiffsprozession und Straßenpartys im ganzen Land, am Montag ein Popkonzert beim Buckingham Palace und landesweite Freudenfeuer, am Dienstag die Kutschenprozession und der Dankgottesdienst in der St.-Paul’s-Kathedrale.

„Unsere Kinder sollen sich ihr Leben lang an dieses Fest erinnern“, sagt Sunil Suchak, der im Londoner Vorort Acton die Straßenparty organisiert. Seine Helfer sind Tony, dessen „Transport Café“ normalerweise das tägliche „English Breakfast“ brutzelt und Sonia und Ellie, die aus dem Iran geflohen sind und den Schönheitssalon betreiben. Erst werden selbst gebastelte Kronen prämiert, dann der „Toast“, auf die Queen ausgebracht: „Sie lebe hoch, Hipphipphurra!“

10 000 solcher Partys soll es geben, „mehr als bei der Krönung der Queen 1953“, glaubt Peter Stewart, Organisator der Initiative „Big British Lunch“. „Es wird ein zauberhafter Moment, wenn sich sechs Millionen im ganzen Land an Tische setzen.“ In Goring-on-Thames in Oxfordshire soll der Tisch einen Kilometer lang werden. Banford, nur ein paar Kilometer weiter, ist noch ehrgeiziger und hat schon die Inspektoren des Guinessbuch der Rekorde eingeladen. Hier bilden 1000 Schulkinder und ihre Eltern den Kern der geplanten Weltrekord-Lunch-Party. Gekocht wird nach Rezepten aus den fünfziger Jahren, zur Unterhaltung gibt es Hula- Hoop-Wettbewerbe.

„60 Jahre war die Queen der Glanzpunkt unseres nationalen Lebens, brillant, ausdauernd, unverwüstlich“, gratulierte Premier Cameron. Wieder einmal ist die langlebige Queen und die königliche Familie Brennpunkt für die Erinnerungsarbeit der Briten, ein Symbol für Zusammengehörigkeit, Geschichte und Identität. Man denkt an die Jahre, als die junge Prinzessin Elisabeth Königin wurde, man denkt nach, was sich verändert hat im Land und was geblieben ist. Sonderbeilagen und Fotoserien berichten über das „zweite elisabethanische Zeitalter“. Das „Jubilee“ werde sogar mehr zum Wohlbefinden der Nation beitragen als sogar die Olympischen Spiele, glaubt die Sozialdenkfabrik „Future Britain“: Die Briten wüssten, dass sie wirtschaftlich und gesellschaftlich in eine ungewisse Zukunft steuerten. Aber ein Jahr nach den schweren Krawallen in britischen Großstädten herrsche „hartnäckiger Optimismus“ vor. „Wir glauben, dies ist ein Jahr gemeinsamer Hoffnung“, resümiert der Bericht die Volksstimmung.

Gina Coladangelo in Brixton setzt das in die Tat um: Ihre Straßenparty soll die Wunden der Krawalle vom vergangenen Sommer heilen helfen, bei denen ihr Mann zusammengeschlagen wurde, als er Plünderer aufhalten wollte. „Das Jubilee ist ein Anlass, die Menschen zusammenzubringen, vor allem in Städten, wo das Zusammenleben manchmal nicht so einfach ist“, sagt Coladangelo.

Nie war die Unterstützung für die Monarchie so groß. Vergeben und vergessen sind die Debakel um Prinzessin Diana, Prinz Charles und seine Geliebte Camilla. 88 Prozent der Briten stehen hinter ihrer Monarchie, eine Mehrheit von 51 Prozent ist sogar damit zufrieden, dass Charles und Camilla einmal den Thron besteigen, berichtet die „Sun“.

Als eine der letzten hartgesottenen Republikanerinnen erlag Filmstar Helen Mirren, Königin im Film „The Queen“, dem Charme der Monarchie. „Beim Silberjubiläum 1977 war ich noch eine griesgrämige Antimonarchistin“, sagte Mirren einer Frauenzeitschrift. „Was für eine Idiotin war ich! Ich verpasste den ganzen Spaß.“ Auch die einstige Punkmodeschöpferin Vivienne Westwood behauptet, sich „um 180 Grad“ gedreht zu haben. „Früher dachte ich, die Queen stehe für die Heuchelei der Politiker. Nun weiß ich, dass sie über der Politik steht. Sie ist wie sozialer Zement.“ Bei der Schiffsparade am Sonntag werden keine „Sex Pistols“ die Themse hinunterschippern und die antiroyalistische Punkversion von „God Save the Queen“ aus Lautsprechern abspielen wie beim Silberjubiläum 1977.

Die Schiffsprozession soll der Höhepunkt der Feierlichkeiten werden. Kurz vor 15 Uhr am Sonntag wird die Queen bei der Albert Bridge die königliche Barke „The Spirit of Chartwell“ besteigen und mit Prinz Philip auf dem Thronsessel Platz nehmen. Angeführt wird der Korso von 1000 Schiffen von der Themsebarke „Ursula Katherine“, auf der acht neu gegossene Jubileeglocken mit den Namen der königlichen Familie montiert werden. Auf Wink der Queen wird die Halbtonnenglocke „Elizabeth“ angeschlagen, das Geläut beginnt, und Kirchtürme entlang der Themse und im ganzen Land stimmen ein.

Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Alle Brücken sind gesperrt, der Zugang auch am Ufer ist streng überwacht. Ein solches Spektakel habe es auf der Themse seit über 100 Jahren nicht gegeben, glaubt Lord Salisbury, der als Schirmherr des „River Pageants“ über zehn Millionen Pfund an Spenden einsammelte – denn nur der geringste Teil der Superparty wird aus der Staatskasse finanziert. Als er drohte, Firmen zu nennen, die in ihren Büros an der Themse große Partys planten und keinen Pence gespendet hatten, begann die Kasse sich zu füllen. Sogar die JP Morgan, die Bank, die durch Handelsfehler Milliarden Dollar verlor, schickte einen Scheck über 100 000 Pfund.

Kann sich das von Rezession und Sparsamkeit geplagte Land ein solches Fest leisten? Niemand zweifelt, dass die Gesamtkosten von 1,4 Milliarden Pfund, zu denen der Wirtschaftsausfall der zwei arbeitsfreien Feiertage am Montag und Dienstag gehört, durch den Zugewinn an Frohsinn, sozialem Zusammenhalt, Optimismus und Selbstzufriedenheit wettgemacht wird.

Aber auch sonst geht die Rechnung auf. 40 Prozent der Bevölkerung wollen aktiv mitfeiern und für den Spaß rund 40 Pfund (50 Euro) pro Person ausgeben. Der Unternehmensberater „Brand Finance“ schätzt den Finanzwert des „Jubilee-Jahres“ mit Einkünften aus Tourismus, internationalem Werbeeffekt und zusätzlicher Wirtschaftsaktivität auch nach Abzug der Kosten auf 924 Millionen Pfund (1,1 Milliarden Euro). Langfristig betrage der „Brand Value“, der Marken und Marktwert der „Firma“, wie die Queen die britische Monarchie nennt, 44 Milliarden Pfund, errechnete das Beratungsunternehmen. Noch ein Grund zu Feiern für die Queen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false