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Panorama: Hallo, hier Bagdad

Nach dem Start des irakischen Mobilfunknetzes klingelt und piept es in der Hauptstadt überall. Die Firma „Iraqna“ soll einem Vertrauten Saddams gehören

Die erste Prepaid-Karte im Wert von 30 Dollar war nach einem Tag aufgebraucht. Ungläubig starrte die 27-jährige Nassme al -Ateia auf ihr bunt leuchtendes Nokia-Telefon. „Kredit aufgebraucht“, zeigt das Display an. Dabei hatte sie doch nur ein paar SMS an ihre Freunde geschickt, ihren Bruder in Deutschland angerufen und ein paar Ortsgespräche geführt. Bagdad im Handy-Fieber: Seit im Februar das lang ersehnte Mobilfunknetz nach mehreren Verzögerungen endlich gestartet ist, piept und klingelt es überall.

Wer eine der begehrten Sim-Karten ergattert hat, streckt Freunden schon von weitem das Mobiltelefon zu einer Art neuem irakischen Gruß entgegen: Sieh her, ich hab’ eins bekommen! Und weil der Service so neu ist und alle lange darauf gewartet haben, darf man in Bagdad jetzt auch im Restaurant telefonieren, ohne sich strafenden Blicken auszusetzen.

Zwar gab es auch unter Saddam Hussein eine Art Mobilfunknetz – die Geräte allerdings erinnerten eher an riesige, urzeitliche Funkgeräte. Man brauchte eine eigene Antenne, die man umständlich auf dem Hausdach montieren musste, um kommunizieren zu können, und die Reichweite der Geräte blieb trotzdem beschränkt.

50 000 Karten sollen bislang für das Netz in der Fünf-Millionen-Metropole ausgegeben worden sein. Das reicht bei weitem nicht, um die große Nachfrage zu decken. Jeden Tag versammelt sich eine große Menschenmenge vor der „Iraqna“-Zentrale im gehobenen Geschäftsviertel Arasat in der Hoffnung auf einen Handy-Vertrag.

Nur im Freien

Kein Wunder, liegt doch das Festnetz überwiegend noch in Trümmern, nachdem die US-Armee die meisten Telefonzentralen als strategische Ziele zu Elektroschrott gebombt hat. Um überhaupt erreichbar zu sein, haben sich viele Iraker zunächst mit einem so genannten „Thuraya“ beholfen, einem sündhaft teuren Satellitentelefon: Die Gespräche kosten einen Dollar pro Minute.

Ein weiterer Nachteil: Das Satellitentelefon funktioniert nur im Freien. Mit dem Handy dagegen können die Iraker jetzt schon ab neun Cent die Minute plaudern und müssen zum Telefonieren nicht mehr auf die Straße gehen.

Die Händler machen ein gutes Geschäft mit der grassierenden Telefonitis der irakischen Bevölkerung: Die meisten haben die Sim-Karte, die 69 Dollar kostet, nur im Zwangspaket mit einem Telefon verkauft, in der Regel für mindestens 180 Dollar – so viel Geld bekommt zum Beispiel ein Lehrer im Monat.

Das neue Netz trägt den viel versprechenden Namen „Iraqna“, unser Irak. Der Titel trügt allerdings: Jenseits der Stadtgrenzen von Bagdad bleibt die Leitung tot. Denn in der Welt des Mobilfunks ist schon Wirklichkeit, was viele auch für die Politik befürchten: Der Irak ist ein geteiltes Land. Die Verträge für Nord, Mitte und Süd haben die Amerikanern an drei verschiedene Firmen vergeben, weshalb die Handys nur in der jeweiligen Zone funktionieren. Ohnehin lässt der Service noch zu wünschen übrig: Das Netz ist oft überlastet, der Empfang in vielen Vierteln Bagdads schwach, weil die ägyptische Muttergesellschaft „Orascom“ nur wenige Sendemasten errichtet hat. „Warum haben die überhaupt den Vertrag bekommen“, fragt ein Geschäftsmann. „Das war doch Mauschelei.“ Tatsächlich waren die Umstände der langwierigen Lizenzvergabe mehr als dubios.

Saddam und die lange Leitung

Dass die US-Verwaltung im Irak ausgerechnet zwei kuwaitischen und einer ägyptischen Firma den Zuschlag erteilte, hat unter den Menschen zu großer Empörung und Unverständnis geführt. Forderungen nach einer Untersuchungskommission sind bis jetzt noch nicht in die Tat umgesetzt worden. Die Firma „Iraqna“, so heißt es, soll angeblich mehrheitlich einem ehemals engen Vertrauten Saddam Husseins gehören.

Er soll sogar einmal für den Despoten Waffengeschäfte arrangiert haben. Das immerhin würde in den Augen vieler Iraker erklären, warum das Netz so häufig nicht funktioniert: „Saddam hat uns wieder einmal die Leitung gekappt.“

Susanne Fischer[Bagdad]

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