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Panorama: Im Wettlauf mit dem Öl

Spezialschiffe erwarten jetzt große Lachen an Galiciens Küste

Stumm und finster starren die Menschen aufs Meer hinaus. Sie sehen ölige Seen, die sich auf dem Wasser schaurig-silbrig antreiben. Manche nur so groß wie ein Fussballfeld. Andere, weiter draußen, ausgreifender als der Bodensee. Sie sind es, die jetzt langsam an die Küste treiben und der bisherigen Katastrophe eine völlig neue Dimension geben werden. „Das Öl werden wir die nächsten Jahren essen müssen", sagt Ramon, einer jener Männer, die über die kurvenreiche enge Straße aus dem nahen Dorf hoch zum berüchtigten Kap Fisterra gekommen sind. Dem westlichsten und wildesten Felsriff Galiciens am spanischen Atlantik, dessen tief unten liegende Gewässer schon tausenden Seeleuten zum Grab wurden. Kap Fisterra: „Das Ende der Welt", raunten Matrosen früher ehrfürchtig.

Auch die Menschen oben, auf dem 200 Meter hohen Felsen, sind am Ende. Umarmen sich. Mit Tränen in den Augen. Unten klatscht immer mehr Öl, die der griechische Schrottanker „Prestige“ ausspuckte, gegen die Klippen. Weiße Möwen mit schwarzen Ölflecken segeln über den Köpfen. Der Wind heult. Und der Himmel weint, es regnet wie aus Kübeln. In Sichtweite liegen die Feuerwehrschiffe aus dem Ausland, darunter befindet sich auch die deutsche „Neuwerk". Die Spezialschiffe arbeiten in einem Wettlauf mit der Zeit. Versuchen, trotz schwerer See, so viel giftiges Schweröl wie möglich abzusaugen. Den Kampf gegen die neue und wohl bisher größte Giftflut können sie nicht gewinnen. Diese bewegt sich Richtung Norden. Wo die schwere Brandung, etwa in Muxia oder Camelle, die stinkendschwarze Pest schon bis in die Gassen der Dörfer hineinspülte. Und Richtung Süden. Auf die „Rias Baixas“ zu, die fisch- und muschelreichen Buchten.

Doch die Not macht stark. „Wir werden nicht aufgeben", sagt Manuel, der mit einem Freiwilligentrupp am Strand von Fisterra schuftet. Es ist ein Gefecht mit nichts anderem als Harke, Schaufel und Eimer. Schicht für Schicht wird das zähklebrige Schwarz abgekratzt. Eine Arbeit, für die sich täglich mehr Freiwillige melden, um eine der schönsten Naturparadiese Spaniens vor dem Tod zu retten. Eine Helferin: „Das ist ungefähr so, als ob man vom Toast die Marmelade herunterkratzen muss.“

Ralph Schulze[Cabo Fisterra]

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