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Panorama: Impfstoff gegen Alkoholsucht?

Meldungen über Spritzen gegen die Drogengefahr machen Furore. Aber die Forschung braucht noch Zeit

Wird man eines nicht allzu fernen Tages Menschen mit einer Impfung vor der Abhängigkeit von Drogen schützen können? Als vor kurzem eine Meldung aus Großbritannien ankündigte, eine Impfung, die man schon als Baby bekomme, solle junge Briten in Zukunft fürs ganze Leben immun machen gegen Nikotin, Alkohol und illegale Drogen, rieben sich viele die Augen. Doch Forschungsansätze, in denen therapeutische Impfstoffe gegen Sucht getestet werden, gibt es wirklich. Das britische Biotech-Unternehmen Xenova untersucht zwei Substanzen. Allerdings bisher nur in ersten, vorläufigen Studien. Für den therapeutischen Impfstoff wurden chemische Bestandteile der jeweiligen Droge mit ungiftigen Elementen des Cholera-Erregers so gekoppelt, dass der Körper zur Bildung von Antikörpern veranlasst wird. Diese Antikörper spüren Nikotin- oder Kokain-Moleküle im Blut auf, binden sich an sie und sollen so verhindern, dass die Substanzen die BlutHirn-Schranke überwinden und im Gehirn andocken. Die Drogen werden folglich schon im Blut abgefangen und bekommen gar nicht erst die Chance, in das komplizierte Spiel der Hirn-Botenstoffe einzugreifen und ihre Konsumenten „high“ zu machen.

„Das ist prinzipiell ein einleuchtendes Konzept“, sagt der Charité-Psychiater und Abhängigkeitsforscher Andreas Heinz. Allerdings gibt es eine Reihe medizinischer und ethischer Fragen zu bedenken, ehe an den Einsatz einer solchen Immuntherapie gedacht werden kann.

Alle Kinder gegen eine Gesundheitsgefahr zu impfen, der nur eine Minderheit zum Opfer fallen würde und die noch dazu auch mit Erziehung eingedämmt werden kann, wäre zudem ethisch problematisch. „Es hieße, den fünften Schritt zuerst zu machen“, sagt der Psychiater und Drogenexperte Norbert Scherbaum, Direktor der Klinik für abhängiges Verhalten und Suchtmedizin in Essen. Eine Spritze gegen Heroinabhängigkeit könnte auch dauerhaft unempfindlich machen gegen verwandte Opiate, die der Betroffene eines Tages zur Schmerztherapie brauchen könnte. David King, Direktor des britischen Brain Science, Addiction and Drugs Project, das sich für die therapeutische Impfung starkmacht, schränkt deshalb ein: „Es wird wahrscheinlich niemals möglich sein, jemanden so gegen Drogen zu impfen, wie man das gegen Masern tun kann.“ Die Hirnbotenstoffe sind Teil eines körpereigenen Belohnungssystems, das uns von klein auf zum Lernen antreibt. Wer sie ausschaltet, hat es bald mit Menschen zu tun, die zu nichts mehr Lust haben und überhaupt nichts mehr lernen wollen. „Man kann sich schwer eine Behandlung vorstellen, die ganz gezielt nur die Lernmechanismen für Sucht angreift“, sagt Scherbaum. Da verspricht es schon mehr Erfolg, mit lustvollem Lernen Kompetenzen für einen vernünftigen Umgang mit Drogen zu gewinnen – auch das ist eine Art von Immunisierung.

Adelheid Müller-Lissner

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