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Panorama: Indien: Jetzt kommen die Bulldozer

Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben in Indien mit bis zu 100 000 Toten haben Bulldozer mit der Räumung der am schlimmsten zerstörten Ortschaften begonnen. Mehr als 70 Dörfer sind zu 95 Prozent zerstört und werden nun dem Erdboden gleich gemacht.

Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben in Indien mit bis zu 100 000 Toten haben Bulldozer mit der Räumung der am schlimmsten zerstörten Ortschaften begonnen. Mehr als 70 Dörfer sind zu 95 Prozent zerstört und werden nun dem Erdboden gleich gemacht. In Bhuj, der größten Stadt in der Nähe des Epizentrums, fiel die ganze Altstadt dem Beben zum Opfer. "Die Bulldozer werden mit dem Einverständnis der Angehörigen eingesetzt", sagte der Regierungschef des Bundesstaats Gujarat, Keshubhai Patel. Niemand rechnete noch damit, Überlebende unter den Trümmern zu finden.

Auch die britischen, russischen und türkischen Helferteams stellten die Suche nach Überlebenden ein. Am Donnerstag waren bereits deutsche und Schweizer Rettungsexperten abgereist. Die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks trafen am Freitag in Frankfurt/Main ein.

Die Regionalregierung des Bundesstaates Gujarat versucht nach Ansicht der "Times of India", die Zahl der Opfer herunterzuspielen. Sie versuche, die Zahl der Vermissten durch viele Flüchtlinge zu erklären, kritisierte der Onlinedienst der "Times" am Freitag. Bisher wurden nach Angaben der Zentralregierung 14241 Leichen geborgen.

Die Zahl von bis zu 100 000 Vermissten hatten auch die Behörden nie bestritten. Nur wenige wurden lebend geborgen. Die Behörden in Gujarat gaben die Opferzahl in den vergangenen Tagen aber lediglich mit 25 000 bis 35 000 an. Verteidigungsminister George Fernandes hatte sie jedoch nach Aufklärungsflügen auf 100 000 geschätzt und diese Angaben mehrfach verteidigt.

Die Feldklinik des Roten Kreuzes in Bhuj behandelte am Freitag die ersten 100 Patienten. Damit ist sie bei weitem nicht ausgelastet. "Einen zentral organisierten Krankentransport gibt es nicht, die Menschen müssen sich selbstständig auf den Weg machen", sagte Susanne Anger vom Deutschen Roten Kreuz. Bei dem Erdbeben waren 200 000 Menschen verletzt worden. 500 000 Menschen sind obdachlos.

Am häufigsten mussten Wundinfektionen behandelt werden. "Oft waren Nachamputationen nötig", sagte Susanne Anger. Im indischen Katastrophengebiet sind eine Woche nach dem Erdbeben viele Kinder an Erkältungen und Bronchitis erkrankt. "Wir müssen aufpassen, dass daraus keine Lungenentzündungen werden", sagte Anger.

Zugleich warnten Rot-Kreuz-Experten in Genf vor Panikmache wegen verwesender Leichen, die derzeit geborgen werden oder noch immer unter den Trümmern liegen. Die Toten trügen nicht zur Ausbreitung von Seuchen bei, Helfer sollten sich nicht beunruhigen lassen, sagte Hakan Sandbladh von der Internationalen Rot-Kreuz-Föderation.

Die Kritik an den Behörden setzte sich fort. Die Verteilung der Hilfsgüter sei chaotisch, schrieb die "Times of India". "Es kommt viel Hilfe nach Gujarat rein, aber die systematische Verteilung ist ein Problem", sagte auch Matthias Schüth von Caritas International in Bhuj. Nach einer Katastrophe dieses Ausmaßes sei es jedoch nicht verwunderlich, dass der Aufbau von Verteilungsstrukturen einige Zeit dauere. Mittlerweile gebe es eine Koordinierungsstelle der Hilfsorganisationen, die auch von den Behörden genutzt werde.

Nur einen Tag nach einer Steuererhöhung kündigte Regierungschef Atal Behari Vajpayee seinen Landsleute weitere finanzielle Belastungen wegen des Erdbebens an. "Zwei Prozent Aufschlag auf die Einkommenssteuer reichen nicht aus und weitere Maßnahmen sind nötig", sagte Vajpayee. Der Wirtschaftsverband FICCI schätzt die Schäden an Gebäuden und durch den Arbeitsausfall auf 12 Milliarden Mark.

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