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Panorama: „Ja, ich habe den Tod von Jakob in Kauf genommen“

Magnus G., der mutmaßliche Mörder von Jakob von Metzler, legt vor Gericht ein neues Geständnis ab

Von Karin Ceballos Betancur,

Frankfurt (Main)

Magnus G. drückt den Knopf am Pult, der sein Mikrofon freischaltet, und beginnt zu reden, mit der brüchigen, dünnen, hohen Stimme, die sich im Laufe des Prozesses gefestigt hatte, der gleichen Stimme, mit der er am zweiten Verhandlungstag zum ersten Mal seine Aussage vorgetragen hatte.

Er, angeklagt wegen Mordes an dem elfjährigen Bankierssohn Jakob von Metzler, spricht vom Plan einer „illegalen Tat“, dem Entschluss, dass es eine Entführung sein sollte, davon, dass es ein Kind sein musste, „weil ich Angst hatte, dass ich einem größeren, stärkeren Menschen körperlich unterlegen sein könnte“.

Der Plan sei zunächst „nur eine Idee“ gewesen, „noch nicht mal ein Plan, sondern etwas, das keine Realität hatte und weit weg war, vielleicht nur ein Hirngespinst“. Damals, fern der Umsetzung, habe er „kalt und rational über alle Konsequenzen nachdenken können“. G. sagt, er habe auch den Tod seines Opfers „billigend in Kauf genommen“.

Je konkreter das Vorhaben jedoch wurde, „als mein Entführungsopfer nicht mehr nur Entführungsopfer war, sondern Konturen bekam, ein Gesicht bekam, Jakob war, je weiter das ging, desto widerwärtiger wurde mir, was ich selbst gedacht habe“.

Kurz vor Schluss der Beweisaufnahme hat der Angeklagte am Dienstag sein früheres Geständnis nachgebessert, indem er zugab, er habe den Tod seines Entführungsopfers von Beginn seiner Planungen an einkalkuliert. Bislang hatte der 28 Jahre alte Jurist jede Tötungsabsicht abgestritten. Allerdings hatte er gestanden, den elf Jahre alten Bankierssohn Jakob von Metzler am 27. September 2002 auf dem Schulweg entführt und getötet zu haben.

Mit seiner neuen Aussage kämpft G. um ein möglichst mildes Urteil, obwohl die Strafe bei einem erwiesenen Mord nach dem Gesetz nur lebenslang lauten kann. Das Gericht kann bei ehrlicher Reue und weitgehender Kooperation eines Angeklagten aber von der Feststellung der besonders schweren Schuld absehen. G. könnte sich dann berechtigte Hoffnungen auf eine Aussetzung der Strafe bereits nach 15 verbüßten Haftjahren machen.

G. dreht einen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern. „Ich habe mich gegen das, was ich nicht mit mir in Einklang bringen konnte, gewehrt. Ich habe mich immer als sehr lieben Menschen gesehen, nicht als Hochkriminellen, und jetzt, wo ich sehen muss, dass ich vielleicht doch etwas anderes bin, was ich mir nie eingestehen konnte …“ Seine Stimme versagt, der Angeklagte weint. Weil er Angst vor dem gehabt habe, „was geschehen könnte“, habe er sich mit einem „Ausweg“ beruhigt, „dieser Alkoholgeschichte“, dem Plan, Jakob mit Alkohol einen Filmriss zu verursachen. „Irgendwann hab ich die Geschichte wirklich geglaubt, sie war mein Rettungsanker, meine Entschuldigung vor mir selbst, um vor mir gerade stehen zu können, halbwegs.“ Er habe sich geweigert, seinen Plan zu Ende zu denken. Dann sagt er: „Ich wollte es nicht, aber mir war wahrscheinlich klar, dass es passieren würde“.

Schutz vor dem Zusammenbruch

Das Gericht moniert die Konjunktive, die der Angeklagte zwischen sich und die Tat schiebt, Zuschauer stöhnen, wenn G. auf den Stelzen bürokratischer Formulierungen durch seine Aussage stakst. „Der lügt doch“, schimpft ein alter Mann später, als er den Gerichtssaal verlässt, mit polternder Stimme. Vielleicht aber schützen die Stelzen den Angeklagten nur vor dem vollständigen Zusammenbruch.

Verteidiger Endres muss den letzten Satz seines Mandanten wiederholen, der unverständlich in ein Schluchzen übergeht: „Ja, ich habe den Tod von Jakob in Kauf genommen, und wenn ich das heute sage, wenn ich nachts darüber nachdenke, dann ist mir unbegreiflich, wie gerade ich so etwas tun konnte.“

Karin Ceballos Betancur[Frankfurt (Main)]

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