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Zehn Menschen starben bei der Amokfahrt in Toronto.

© Cole Burston/Getty Images/AFP

Kanada: Amokfahrt in der Frühlingssonne von Toronto

Zehn Menschen sterben in der kanadischen Stadt Toronto nach einer Attacke mit einem Lieferwagen. Die Yonge Street, auf der es passierte, ist ein Symbol für die dynamische Entwicklung Kanadas.

In den dunklen Ecken Torontos liegt noch Schnee. Der Winter scheint dieses Jahr kein Ende zu finden. Den Bewohnern der kanadischen Stadt, die das Wetter normalerweise mit Fassung tragen, ging schon langsam der Humor aus. Als am Wochenende die Temperaturen endlich über Null Grad stiegen, stürmten sie in die Parks und Gärten. Montag war der erste Tag in diesem Jahr, an dem man ohne Mütze und Winterjacke zur Schule oder zur Arbeit gehen konnte. Und es war der erste Tag, an dem man im Windschatten bequem draußen sitzen konnte – zum Mittagessen oder Kaffeetrinken. Genau das, was viele Menschen in der Yonge Street taten. Um 13.30 Uhr.

Das war genau der Zeitpunkt, zu dem der 25-jährige Alek Minassian aus dem Norden Torontos einen Lieferwagen mit voller Geschwindigkeit auf den Gehsteig der belebten Straße lenkte, dorthin, wo viele Menschen unterwegs waren. Mindestens zehn von ihnen starben bei der Amokfahrt, 15 weitere wurden verletzt, einige von ihnen schwer.

„Diese Tat scheint eindeutig vorsätzlich gewesen zu sein“, sagte Torontos Polizeichef Mark Saunders am Dienstag. Rätselraten herrscht jedoch über das Motiv. Der für die öffentliche Sicherheit zuständige Minister Ralph Goodale sagte, „auf der Grundlage aller verfügbaren Informationen“ sei nicht davon auszugehen, dass eine Gefahr für die nationale Sicherheit bestehe. „Ein schrecklicher Tag in Toronto, sinnlose Gewalt mit vielen Opfern“, hatte er zuvor auf Twitter geschrieben.

„Ich saß im Auto, als ich plötzlich einen weißen Lieferwagen sah, der auf den Gehweg fuhr und die Menschen niedermähte“, sagte der Augenzeuge Alex Shaker dem Fernsehsender CTV. Die Fußgänger seien durch die Luft geschleudert worden. Der Fahrer sei im „Zickzackkurs“ über den Gehweg gefahren, sagte Rocco Cignielli. Der Wagen wurde schließlich auf dem Gehweg gestoppt. Polizeifahrzeuge umringten das Fahrzeug, der Fahrer wurde festgenommen. In sozialen Netzwerken war der mutmaßliche Fahrer zu sehen, der sich einem Polizisten aggressiv in den Weg stellte. Der Mann war entgegen ersten Berichten nicht bewaffnet. Er wurde festgenommen und am Dienstag wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes in 13 weiteren Fällen angeklagt.

„Toronto the Good“ hat ein Bürgermeister im 19. Jahrhundert seine Stadt genannt. Damals war es eigentlich nicht als Kompliment gemeint, sondern bezog sich auf die viktorianischen Sitten und die Prüderie, die in der Stadt herrschten. Aber die Bewohner Torontos haben das Etikett liebgewonnen und nutzen es als Kompliment. Sie betrachten die Stadt als freundlich, erfolgreich, multikulturell und ziemlich sicher. „New York run by the Swiss“, hatte Peter Ustinow es einmal beschrieben. Doch am Montag sagte Bürgermeister John Tory vom Unfallort: „Das sind Dinge, die man hier in Toronto nicht erwartet. Man hofft, dass sie nirgendwo in der Welt passieren, aber hier in Toronto erwartet man sie einfach nicht.“

Es ist zweieinhalb Wochen her, dass 16 Mitglieder der Jugendhockeymannschaft Humboldt Broncos aus Saskatchewan starben, als ihr Mannschaftsbus auf einer Landstraße mit einem Sattelschlepper zusammenstieß. Der tragische Unfall hatte ganz Kanada ergriffen. Aus Solidarität mit den Broncos, den Toten und ihren Angehörigen, stehen immer noch Hockeyschläger vor den Häusern und Schulen der Stadt. Irgendwie hatten die Bürger erwartet, dass nach einer solchen Tragödie eine Zeit lang Ruhe herrscht.

Am Abend nach der Amokfahrt spielte Torontos beliebte Hockeymannschaft Maple Leafs gegen ihren Rivalen Boston Bruins im Air Canada Centre, neben dem CN Tower. Dessen Lichter waren gelöscht. Vor dem Spiel gab es einen Moment der Stille. Dann haben die Leafs gespielt und entgegen den Erwartungen gewonnen.mit AFP

Naomi Buck

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