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Panorama: Karl Moik, der König der Massenunterhaltung, findet in China seinen Meister

Von links werden "Die Mooskirchner" auf die Bühne marschieren, und dann soll es richtig zünftig werden unter den gelben Dächern der Verbotenen Stadt in Peking. "Drei, Zwo, Oans .

Von links werden "Die Mooskirchner" auf die Bühne marschieren, und dann soll es richtig zünftig werden unter den gelben Dächern der Verbotenen Stadt in Peking. "Drei, Zwo, Oans . . . los!", ruft Regisseur Kurt Pongratz über den kaiserlichen Platz vor dem Mittagstor. Marschmusik setzt ein, Scheinwerfer blitzen auf, und mit Paukenschlag und Trompetenfanfaren aus der Konserve tanzt die Trachtengruppe auf die Bühne. Da wird gelacht, gesungen und geschunkelt, bis . . . "Stop, Halt", brüllt Pongratz. Mit einem Schlag frieren alle Bewegungen ein. Sein unrasiertes Gesicht ist rot vor Zorn. "Was wollen denn die da schon wieder. Weg mit denen", ruft der Regisseur und deutet auf sechzig Chinesinnen, die schüchtern neben der Bühne auf ihren Chorauftritt warten. Doch sie verstehen ihn nicht.

Ein großes Missverständnis scheint es auf den ersten Blick zu sein. Karl Moik und sein Musikantenstadl in Peking. Ausgerechnet China, ausgerechnet Musikantenstadl! Einen krasseren Gegensatz kann man sich kaum vorstellen. Nicht ganz unpassend schreibt eine österreichische Boulevardzeitung von einer neuen "Kulturrevolution" in China. Der Kaiserpalast, Symbol einer jahrtausendealten Kultur, entwürdigt durch Frohsinnsmusik aus der Konserve? Karel Gott, Dagmar Koller und die Trachtengruppe Schruns statt buddhistischer Meditationsmusik? Der österreichische Schmachtkönig und ehemalige Skiprofi Hansi Hinterseer, der den Chinesen sein Lied "Das Paradies auf Erden" singt? Kann das gut gehen?

Karl Moik sitzt entspannt bei den Proben in der Nachmittagssonne. Und wenn man ihm zuhört, merkt man, dass er nicht den leisesten Zweifel an dieser Reise hat. "Einfach unglaublich toll" sei es, dass er es mit seiner Show nach Peking geschafft hat, schwärmt er. Stolz zeigt er auf das Bühnenbild mit knallroten Säulen unter neongelben Dachziegeln aus Styropor. Moik ist entzückt. "Einfach wunderbar!" Überhaupt sei China ein "ganz wunderbares Land", schwärmt er. "Die Chinesen, die ham ja eine wunderbare Kultur."

"800 Millionen Zuschauer!"

Nein, Zweifel hat er nicht. Im Gegenteil, der Moderator bemüht sich nicht, seine Genugtuung zu verbergen. Schon vor der Ausstrahlung über Eurovision am kommenden Sonnabend ist die Sendung aus China ein Erfolg. Knapp 4000 Fans aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind extra für die Aufzeichnung nach China gereist. In einem der 14 Jumbo-Jets saß Irma Göppner. Schon früher einmal war sie beim Stadl in Toronto mit dabei. Als Moik vor einigen Monaten in seiner Sendung Werbung für die Reise nach China machte, griff die Rentnerin aus Bamberg sofort zum Telefon: Neun Tage Peking für 3149 Mark hat sie gebucht. "Des China is für mich ja net das wichtigste", erzählt die 70-Jährige. "Ich bin nur hier wegen dem Moik. Den mog ich sehr."

Der "Auslands-Stadl" ist längst Teil des Moik-Franchising. Seit Jahren zieht der Musikantenstadl einmal im Jahr über die Kontinente. In Moskau war er, kurz nach dem Mauerfall in Ostdeutschland, in Kanada traten sie auf und in Florida in Disneyworld - "bei Micky Maus", wie Karl Moik es nennt. In seiner Sendung und in Prospekten rührt Moik die Werbetrommel für die Fanreisen: "Ich freue mich, wenn auch Sie dabei sind, wenn es heißt: Servus Peking."

Ohne ihn, das weiß auch Karl Moik, wäre dies alles nicht möglich. Seit bald 20 Jahren ist der Österreicher das Zugpferd der Sendung. Und längst ist er für seine Fangemeinde mehr als ein Moderator: Niemand ist so lange im Geschäft wie er. 1981 erfand der gelernte Werkzeugmacher den Musikantenstadl - und wurde über Nacht zum Fernsehstar. Niemand hat so beständig so großen Erfolg wie der 61-Jährige: Zehn Millionen Zuschauer in Deutschland, Österreich und der Schweiz schunkeln regelmäßig vor der Mattscheibe mit - nur "Wetten, dass?" schafft höhere Einschaltquoten.

Und doch: China sei etwas ganz besonderes, "vielleicht sogar der Höhepunkt meiner Karriere", sagt Moik. Warum? Fast ehrfürchtig senkt er die Stimme: Die Show werde am kommenden Sonnabend ja auch im chinesischen Fernsehen übertragen. "Wissen Sie, wie viele da zuschauen, wissen Sie das?", fragt er. Die Antwort gibt er gleich selbst: "800 Millionen Menschen!"

Für Karl Moik ist dies die Krönung: Der König der Massenunterhaltung ist nach China gekommen - und hat dort seinen Meister gefunden. Vor seiner Abreise habe er über Satellitenfernsehen die Aufzeichnung von der 50-Jahr-Feier der Volksrepublik China gesehen, erzählt Moik. Für ihn war es ein Schlüsselerlebnis: "Das war unglaublich, da haben die Chinesen Hunderttausende aufmarschieren lassen", schwärmt er. Dass sich damals ein autokratisches Regime selbst feiern ließ, scheint Moik nicht weiter aufzufallen. Dass für die Jubelparaden in Peking Tausende Bettler und Behinderte von der Polizei verschleppt wurden, um die Straßen "zu säubern", weiß er nicht. Für den Showmaster zählt nur die Show, "und die war perfekt. Einfach perfekt."

Auch bei der Aufzeichnung des Musikantenstadls am Sonnabend wird der Frohsinn mit der Genauigkeit eines Sendeplanes abgespult. Das bisschen Spontaneität, das auftreten könnte, wird von einem Großaufgebot chinesischer Polizisten unterdrückt. Jede Eintrittskarte ist von der Sicherheitspolizei abgestempelt. Wie in einem Hochsicherheitsgefängnis werden die Fans aus Europa und die handverlesenen chinesischen Besucher am Eingang mit Radargeräten und Metalldetektoren abgesucht.

Häppchenweise haben die Redakteure des chinesischen Fernsehens Chinas Kultur für den Massengeschmack aufbereitet. Bei der Tellerakrobatik zeigen die jungen Mädchen viel nackte Haut, die Teller, die sie eigentlich auf Stäben balancieren sollen, sind mit kleinen Scharnieren befestigt. Es gibt Asia-Folklore light, aber auch davon nicht zu viel: Ein paar Shaolin-Mönche, ein Kinderchor, ein zehnjähriger Junge aus einem SOS-Kinderdorf in Tianjin. Die chinesischen Zuschauer hat man ganz ans hintere Ende des Platzes auf Klappstühle verbannt, damit sie die deutschen Fans bei ihrer volkstümlichen Heiterkeit nicht stören.

Vorne, an langen Biertischen, gibt es für die Rentner aus Europa Rotwein aus Plastikbechern. Und als Hansi Hinterseer endlich mit seiner blonden Mähne auf die Bühne tritt, als Dagmar Koller schmachtvoll von den "blühenden Bäumen" singt, ist auch im fernen Peking die Fernsehwelt wieder in Ordnung. Schnell hat man sich auf den Klatschrhythmus des Abends geeinigt. Einige haben sich selbst gemalte Fanplakate mitgebracht. "Potsdam grüßt Karl Moik." Und irgendwann schunkeln sogar einige Chinesen vorsichtig mit.

Harald Maass

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