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Karneval

© ddp

Karneval in Köln: Jeck im Zeichen des Halbmonds

In Köln präsentiert sich der "Erste Türkische Karnevalsverein Deutschland" der Öffentlichkeit - und hält den Jecken einen Spiegel vor. Alles bloß Satire?

Es dauert nicht einmal 15 Minuten, bis die meisten Journalisten bei der Präsentation des "Ersten Türkischen Karnevalsverein Deutschland" (TKVD) an eine Aktion der Titanic denken. Köln habe einen Anteil von zehn Prozent Türken in der Bevölkerung, sagt Davut Yilmaz, Vorsitzender des Vereins. Diese Quote solle sich künftig auch im Kölner Karneval widerspiegeln. Mit roter Clownsnase im Gesicht formuliert er die Ziele der bisher 35 Mitglieder: Jeder zehnte Narr müsse ein Türke sein. Das offizielle Dreigestirn der Stadt, bestehend aus Prinz, Jungfrau und Bauer, müsse alle zwei Jahre mindestens mit einem der Landsleute besetzt werden. Und falls das nicht möglich sei, so müsse das Dreigestirn generell um einen Türken ergänzt werden. Alaaf Allah.

Die Pressekonferenz des "Ersten Türkischen Karnevalsverein Deutschland" geriet zum ersten nennenswerten Höhepunkt der seit dem 11. November 2007 laufenden Session. Der Verein hatte in das Kölner Altstadt-Hotel Caprice geladen. Rund 50 Journalisten quetschen sich in einen überheizten Konferenzraum im Keller, der gerade mal für 20 Personen ausgerichtet ist. An der Front prangt eine Fahne mit dem Vereinslogo: eine rot-weiße Narrenkappe mit den türkischen Symbolen Halbmond und Stern. Vorne sitzen Davut Yilmaz, 29, und Melek Cezmi, 27, beide in Deutschland aufgewachsen und Freunde geworden während des BWL-Studiums.

Entwicklung einer eigenen Karnevalskultur

Melek Cezmi, den Kopf in ein fliederfarbenes Kopftuch gehüllt, trägt im Bemühen förmlich zu wirken eine Pressemitteilung vor. Sie betont den Karneval als Institution der Stadt. Aber es gebe auch kulturelle Differenzen. So sei die "Freizügigkeit der Geschlechter und der übermäßige Alkoholkonsum" für viele Türken nicht mit ihrer religiösen und kulturellen Überzeugung zu vereinbaren. Daher wolle man mit diesem Verein den Landsleuten eine Möglichkeit bieten, eine eigene Karnevalskultur zu entwickeln. Cezmi sagt, es dürfe nicht sein, dass ihr in den jecken Tagen ein Mann "einfach so an den Po packt". Yilmaz, ein hagerer, jungenhafter Mann mit schwarzer Brille, kritisiert den ständigen Partnertausch und erzählt von einem Vorfall aus dem vergangenen Jahr, als ein Häuflein menschlichen Kots vor seiner Haustür gedampft habe, "so etwas muss ja nicht sein".

Doch wenn es um den Karneval geht, hört der Spaß beim Kölner gerne auch schnell mal auf. Also will man wissen, mit welchen Einflüssen die Türken die tollen Tage denn nun genau bereichern wollen. Yilmaz enthüllt daraufhin das Modell eines feuerroten BMW Z3 mit einem um den Kühlergrill drapierten Schnauzbart, mit dem man irgendwann einmal vielleicht auch am Rosenmontagszug teilnehmen wolle. Auch eigene Veranstaltungen soll es geben. Erster Termin sei der 16. Januar. Mit den Lichtern von Handy-Displays wolle man nächtens den Schnauzbart als Performance an den Dom projizieren. Außerdem habe man in Anlehnung an das Funkenmariechen an eine "Funken-Ayse" gedacht.

Alles nur Provokation?

Die Anwesenden schauen sich verdutzt in die Augen. Was soll das Ganze? Will man uns wirklich veräppeln, den Jecken den Spiegel vorhalten, eine Provokation, vielleicht gar ein Angriff auf das als verstaubt geltende Festkomitee des Kölner Karnevals? Man sucht eilig Deutungsmöglichkeiten, denn keiner will am Ende der Narr sein.

Doch selbst wenn der TKVD am Donnerstag alle zum Besten gehalten haben sollte, so hat er doch die kölsche Seele ein wenig bloßgestellt. Denn die Kritik an der praktizierten Freizügigkeit im alkoholischen Delirium gibt es schon lange und inspirierte bereits einige namhafte deutsche Dichter zu boshaften Zeilen, etwa Goethe und Tucholsky. August Wilhelm Schlegel schrieb in seinem "Hirtenbrief an die Kölner": "Das Carnaval kommt. Wozu es euch frommt, Ihr Tausendsasas? Zum plattesten Spaß, Zum Fressen und Saufen, Nach Huren zu laufen. - Ihr knickrigen Kerle!"

Dass Verfechter dieser zitierten Form der Fastnacht durch ein muslimisches Gegenprogramm nun ihre Daseinsberechtigung in Gefahr sehen, könnte ebenfalls eine provozierte Reaktion gewesen sein. Vor ein paar Monaten erst haben sich die Rechtsextremisten von "Pro Köln" mit ihrem "Anti-Islam-Kongress" bis auf die Knochen blamiert. Nun sehen dieselben Leute wie ein Menetekel ein "Alkoholverbot bis Ende Februar" und ein "Burka-Gebot für Karnevalistinnen" heraufziehen. Die Macher der Internetseite "Politically Incorrect", immer für einen Seitenhieb gegen Muslime gut, reagierten ebenfalls: "Die kölschen Jecken, an der Spitz´ ihr festordnendes Komitee von 1823 e.V. sind eingeladen, sich dem Islam und der Sharia als neuer Satzung zu unterwerfen."

Interview lieber nicht auf Türkisch

Als Davut Yilmaz, am Ende wieder als Clown mit Nase und Perücke, einem Türken ein Interview in der Landessprache ausschlägt, nährt das nur umso mehr den Verdacht, Yilmaz könnte vielleicht nicht einmal aus der Türkei sein. Er bietet Deutsch und Englisch an und behilft sich schließlich mit einem Übersetzer.

Doch was auch immer aus dem TKVD werden sollte, das Festkomitee des Kölner Karnevals heißt den neuen Verein schon jetzt herzlich Willkommen. Schließlich schunkele zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch auch "der Jude mit dem Evangelen und der Chef mit dem Azubi", sagt Pressesprecherin Sigrid Krebs. Ganz gemäß des zweiten von elf Jecken Geboten: "Der Kölner Karneval soll ein Fest für alle sein: volksnah, verbindend, integrativ."

Mit freundlicher Genehmigung von Zeit Online

Christian Parth

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