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Das Galileo-Projekt befindet sich noch in der Pilotphase. Die letzten vier der insgesamt 30 Satelliten sollen bis 2020 von Ariane-Raketen in den Weltraum gebracht werden.

© Ingo Wagner/dpa

Keine Infos aus dem All: Welche Folgen der Galileo-Ausfall hat

Das Satelliten-Navigationssystem Galileo liefert seit Tagen keine Daten. Das EU-Projekt ist eine Konkurrenz zur US-Navigation GPS, es ist in der Pilotphase.

Von Markus Lücker

Die Meldung aus Prag fiel knapp aus: „Service Degradation“ – Leistungseinbruch – schrieb die in Tschechien ansässige European Global Navigation Satellite Systems Agency (GSA) bereits am Donnerstag auf ihrer Website. Betroffen ist das Navigationssystem Galileo, jenes milliardenteure Großprojekt aus 26 Satelliten, mit denen die Europäische Union eine Alternative zum US-amerikanischen GPS aufbauen will. Einen Tag später wird aus den Leistungseinbruch ein fast kompletter Ausfall.

Lediglich der Such- und Rettungsdienst funktioniere noch, mit dem etwa Menschen in Seenot gefunden werden könnten oder wenn sie sich in den Bergen verirrt haben. Abgesehen davon war das System auch den Montag über offline.

Für Galileo ist es der erste Ausfall dieser Art. Allerdings kam es schon häufiger zu technischen Problemen. Als das Projekt im Dezember 2016 seinen Dienst aufnahm, fielen bereits einen Monat später Atomuhren auf den Satelliten aus. Die Informationen der Uhren sind nötig, damit die Satelliten ihre Signale zeitgleich absenden können. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass beispielsweise Navigationssysteme in Autos die eigene Position bestimmen können.

Auch diesmal soll die Zeit die Ursache des Problems gewesen sein. Ein „technischer Vorfall“ bei der Infrastruktur auf der Erde habe zu einer zeitweiligen Unterbrechung der „Navigations- und Zeitmessungsdienste“ geführt, erklärte die GSA am Sonntag. Genauere Informationen gibt es nicht.

Verantwortlich könnte eine italienische Bodenstation gewesen sein. Das berichtet der Branchendienst „Inside GNSS“ unter Berufung auf interne Quellen bei der GSA. In jener Station wird die Referenzzeit generiert, mit deren Hilfe die Uhren des Galileo-Systems kontrolliert und kalibriert werden.

Selbstfahrende Autos sollen mit dem System funktionieren

Momentan befinde sich das Galileo-Projekt noch in einer „Pilotphase“, heißt es bei der GSA. Dabei werden Daten aus anderen Satelliten-Systemen genutzt, um Fehler zu erkennen, bevor das Netzwerk seine Aufgabe vollständig übernimmt.
Ursprünglich sollte Galileo bereits 2008 den Betrieb aufnehmen. Nach diversen Verzögerungen sollen jetzt 2020 die letzten vier der insgesamt 30 Satelliten mithilfe von Ariane-Raketen ins All starten. Im Budget der EU sind für den Aufbau 7,2 Milliarden Euro vorgesehen, weitere drei sind für den Betrieb vorgesehen.

Noch ist das System für den Alltag der Menschen in Europa eher unbedeutend. Das zeigt sich auch daran, dass die meisten Autofahrer am Wochenende – trotz Ausfall – an ihr Ziel fanden und nicht von ihren Navigationsgeräten in die Irre geführt wurden. Lediglich einige Dutzend Smartphones können die Galileo-Signale momentan überhaupt empfangen.

Zukünftig soll die Technologie allerdings auch für selbstfahrende Autos genutzt werden. Dass ein Ausfall der Satellitentechnik wie seit Freitag dann zu Unfällen und Chaos auf den Straßen führen würde, ist eher unwahrscheinlich. Zum einen sind die Systeme auch jetzt schon auf vorübergehende Signalausfälle vorbereitet.

Zivil gegen militärisch

Außerdem sollen sich die vier Navigationssysteme, die derzeit einen weltumspannenden Dienst anbieten, künftig ergänzen: die militärisch kontrollierten Projekte Navstar GPS aus den USA, Glonass aus Russland und Beidou aus China sowie das zivile System Galileo. Sie sollen sich künftig zumindest teilweise gegenseitig unterstützen.

Nutzer wären dann in der Lage, die eigene Position aus allen empfangbaren Daten der verschiedenen Systeme bestimmen zu können, erläutert die Europäische Weltraumorganisation (ESA) auf ihrer Website. Europa habe großen Wert darauf gelegt, „dass Galileo nicht gegen, sondern mit GPS arbeiten wird“.

Es basiere auf derselben Grundtechnologie wie das US-System und biete zusammen mit GPS eine höhere Genauigkeit sowie eine erhöhte Ausfallsicherheit. Gleichzeitig gewährleiste das Projekt „die europäische Unabhängigkeit“. Denn es bestehe die Gefahr, dass Russland und die USA ihre Systeme „bei Bedarf“ aus militärischen oder wirtschaftlichen Gründen verfälschen oder abschalten.

Wann die Galileo-Satelliten wieder vollständig funktionieren werden, war am Montag noch nicht abzusehen. Aus den Informationen von „Inside GNSS“ geht hervor, dass die Probleme ursprünglich bereits bis zum Ende des Wochenendes bewältigt sein sollten. Eine Sprecherin der GSA teilte nun am Montag mit, Experten würden rund um die Uhr an der Behebung des Fehlers arbeiten.

Konkurrenz aus den USA, Russland und China

Für viele ist das Global Positioning System – kurz GPS – mittlerweile synonym mit Geräten zur Navigationshilfe. Bereits in den 1970er Jahren wurde das Projekt unter Führung des US-Verteidigungsministeriums entwickelt. Unter anderem löste es das damalige Satellitensystem der Marine ab.

Seit Mitte der 1990er Jahre ist das GPS voll funktionsfähig und hat auch zunehmend den zivilen Bereich erschließen und dominieren können. Um eine weltweite Abdeckung zu gewährleisten und gegebenenfalls auf technische Ausfälle reagieren zu können, kreisen aktuell 30 Satelliten der USA um die Erde.

Dabei waren die Vereinigten Staaten nicht die Einzigen, die früh den Vorteil der satellitengestützten Navigation erkannten. Parallel baute auch Russland mit Glonass ein System auf, das seit 1996 voll funktionsfähig ist. Das Projekt kämpfte in den Folgejahren jedoch immer wieder mit altersbedingten technischen Ausfällen, sodass Glonass zeitweilig nicht mehr als eigenständiges System funktionieren konnte. Erst durch zusätzliche Förderung seit 2008 konnte das Projekt fortgeführt werden.

Auch China arbeitet an einem eigenen System names Beidou. Ähnlich wie bei Galileo, das im Auftrag der Europäischen Union entsteht, ist es das Ziel, unabhängig von den USA agieren zu können. Während sich Beidou ursprünglich nur auf den ostasiatischen Raum konzentrierte, soll seit 2015 mithilfe weiterer Satelliten auch der Rest der Welt erschlossen werden.

Bis 2020 will China dafür insgesamt 35 Satelliten in den Weltraum schicken. Dabei soll die Messung noch präziser erfolgen als bei der Konkurrenz aus Europa. Während Galileo lediglich eine zentimetergenaue Messung verspricht, soll Beidou mithilfe nachträglicher Datenverarbeitung sogar millimetergroße Unterschiede erfassen können. mlü

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