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Panorama: Keine Panik

Vor sechs Monaten sagte die WHO, Sars sei eingedämmt. Kommt die Krankheit jetzt immer wieder?

Wie konnte es zum Wiederaufflammen der Infektionskrankheit kommen? Am 5. Juli des letzten Jahres hatte ein Expertengremium der Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt, die menschliche Übertragungskette sei gebrochen. Die WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtland erklärte: „Der Ausbruch der Krankheit ist eingedämmt.“ Das Ziel, die Gefahr zu bannen, schien erreichbar. „Sars kann und muss eingedämmt werden", postulierte die WHO. Zugleich mahnte die Gesundheitsorganisation jedoch, man dürfe sich nun keineswegs beruhigt zurücklehnen. „In der Nach-Ausbruchs-Periode müssen alle Länder wachsam bleiben." Denn trotz noch so raffinierter Überwachungssysteme könne der erste neue Sars-Fall einer frühen Entdeckung entgehen, so hieß es.

Die Verkündung des Sieges über Sars war nicht falsch, hatte aber etwas leicht Irreführendes. Gemeint war nicht der Sieg über die Krankheit, sondern der Sieg über die damalige Infektionskette. Die WHO hat nie behauptet, dass es keinen neuen Ausbruch geben könnte.

Muss die Menschheit damit leben, dass jetzt jedes Jahr zur gleichen Zeit von China aus eine Sars-Welle über die Erde schwappt?

Auszuschließen ist das nicht. Entscheidend wird sein, ob China in diesem und den folgenden Jahren die Infektionen nicht wie letztes Jahr vertuscht und damit die Verbreitung fördert. Werden die Fälle rechtzeitig erkannt und behandelt, werden die Kontaktpersonen frühzeitig ermittelt und isoliert, dann kann eine weltweite Verbreitung verhindert werden.

Die Krankheit wird nach heutigem Kenntnisstand nur durch engen persönlichen Kontakt übertragen, etwa als Tröpfcheninfektion beim Husten oder auch als Schmierinfektion vom Stuhl in den Mund bei der Pflege von Angehörigen. Coronaviren trocknen in der Luft schnell aus und sind dann nicht mehr ansteckend. Im akuten Stadium der Krankheit sind die meisten Sars-Opfer wegen hohen Fiebers ans Bett gefesselt, so dass sie die Viren nur an wenige Kontaktpersonen weitergeben können. In den Regionen, die von Ende 2002 bis Mitte 2003 vor allem betroffen waren, leben allerdings Millionen Menschen auf engstem Raum. Zudem könnten Virusträger ohne Krankheitszeichen eine Gefahr darstellen.

Was Sars betrifft, so scheint zudem der enge Kontakt zu Tieren bedeutsam zu sein, vor allem zu kleinen Wildtieren, die als Delikatesse gelten. Forscher der Universität Hongkong hatten Ähnlichkeiten zwischen dem Sars-Erreger und einem Virus festgestellt, das bei Zibetkatzen gefunden wurde. Die marderähnlichen, langgestreckten Tiere aus der Familie der Schleichkatzen sind seit einiger Zeit als Tierreservoir des Virus im Verdacht. „Eine Bestätigung dafür gibt es allerdings bis heute nicht", sagt Susanne Glasmacher vom Berliner Robert-Koch-Institut (RKI).

Doch es ist wichtig, auch weiter die Relationen zu wahren und nicht in Panik zu verfallen: Sars forderte in der Volksrepublik China in den Jahren 2002 und 2003 insgesamt 349 Todesopfer. In der ganzen Welt sind nach Angaben der WHO 774 Menschen daran gestorben. Der Influenza oder echten Grippe, die ganz ähnliche Symptome verursacht, fallen weltweit in jeder Saison eine halbe Million Menschen zum Opfer.

Adelheid Müller-Lissner

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