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Kindesmisshandlung: Quälerei ohne Motiv

Mandy N. hat ihr Kind verprügelt, verbrüht und vergiftet. Am Freitag erwartet sie das Urteil vor dem Rostocker Landgericht. Der Hintergrund der grausamen Misshandlung eines Kleinkindes mit Säure bleibt auch zum Prozessende offen.

Rostock - Dem Umgang mit gefährlichen Reinigungsmitteln ist in der Ausbildung von Hauswirtschaftern ein ganzes Kapitel gewidmet. Mandy N. als gelernte Hauswirtschafterin hätte es also wissen müssen. Warum sie ihrem Baby, einem Wunschkind übrigens, Essigreiniger und Kalklöser einflößte, sie verbrühte und verprügelte, wird ihr schreckliches Geheimnis bleiben.

Die 27-Jährige ist zwar unterdurchschnittlich intelligent, aber nicht dumm. Sie schaffte die Hauptschule und die Lehre, in Prüfungssituationen aber versagte sie. Sie lernte schnell, auf eigenen Beinen zu stehen, heiratete "ihre große Liebe" Tilo, wurde im November 2001 Mutter. Im Alter von einem halben Jahr muss Lea-Marie zum ersten Mal wegen unstillbaren Erbrechens und Auffälligkeiten im Mundbereich im Krankenhaus behandelt werden. Ob Mandy N. ihr bereits damals Essigreiniger einflößte, konnte im Prozess nicht bewiesen werden. Laut Gutachten ähneln sich jedoch seitdem die Symptome in insgesamt 27 Arztberichten, 26 davon wurden nach einer stationären Behandlung des Mädchens angefertigt.

Angst vor dem Erinnern

Je älter Lea-Marie wurde, desto mehr wehrte sie sich gegen die Misshandlungen. Desto schlimmer wurden aber auch ihre Verletzungen. Die ätzende Flüssigkeit blieb länger im Mund, weil sich das Mädchen heftig weigerte zu schlucken. Die Schleimhäute des gesamten Hals-, Nasen- und Rachenraumes sowie die Augen wurden angegriffen. Nach der letzten Misshandlung im Sommer 2006 zeigte Lea-Marie im Krankenhaus einer Psychologin an einem Teddy, wie sich die Mutter über den Oberkörper des Mädchens gelegt hatte, um ihren Widerstand zu brechen. Das würde sie heute nicht mehr erzählen. Sie habe Angst, sich zu erinnern, berichtete die Medizinerin vor Gericht.

Die Speiseröhre des Mädchens war zum Schluss noch so dünn wie ein Strohhalm, bei normal entwickelten Kind hat sie im Durchmesser 16 Millimeter, bei Lea-Marie nur noch fünf Millimeter. Alle zwei Wochen muss die Speiseröhre unter Vollnarkose gedehnt werden. Sie habe eine panische Angst auch vor kleinen Schmerzen wie Blutabnehmen, erzählte ein Arzt. Nicht nur die Berichte der Ärzte schockten das Gericht, auch die Fotos von den äußerlichen Wunden. Tiefe Vernarbungen hat das Mädchen an beiden Oberschenkeln von einer Verbrennung, die Mandy N. ihrem Kind im Alter von 15 Monaten angetan hat. Für eine Versicherungssumme von 864 Euro goss sie einen vollen, mit siedend heißem Wasser gefüllten Wasserkocher über das in der Wanne sitzende Kind.

"Wahnsinn was ich meiner Tochter angetan habe"

Das Kind habe damals geschrieen wie am Spieß, erzählte Mandy N. der Polizei. "Wahnsinn, was ich meiner Tochter angetan habe", meinte sie vor Gericht. Mehr zu ihren Motiven konnte sie nicht sagen. Das machte es für Gutachter auch so schwer, ein Bild vom Seelenleben der jungen Frau zu zeichnen. Sie hörte sich alle Ausführungen interessiert an, Regungen zeigte sie nur beim Schlusswort. Es tue ihr "unendlich Leid", sagte sie, dann rutscht ihr die Stimme weg.

Ihre Familie, Nachbarn, Erzieher aus dem Kindergarten der Tochter und Betreuer vom Jugendamt sind ratlos, ob sie diese Tat hätten verhindern können. Trotz vieler Telefonate mit ihrer Schwägerin und regelmäßiger Treffen mit einem Freund ahnte niemand vom Martyrium der Tochter und von der Zerrissenheit der Mutter. Hätte sie nicht umfassend vor Gericht gestanden, wäre es womöglich nicht einmal zu einer Anklage gekommen, sagte ein Jurist. Gegen solche Fälle sei man einfach nicht gewappnet, betonte eine Sprecherin des Jugendamtes. Ein schwacher Trost für Lea-Marie, die jetzt bei einer Pflegemutter lebt. Laut Einigung zwischen Anklage und Verteidigung stehen ihr 30.000 Euro Schmerzensgeld zu, die Mandy N. ihrer Tochter zahlen muss. (Katrin Schüler, ddp)

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