Klima und Malerei: Die kleine Eiszeit
Zwischen dem frühen 15. und der Mitte des 19. Jahrhunderts fielen auf der Nordhalbkugel der Erde die mittleren Temperaturen stark ab. Die Malerei wurde zum Spiegel des daraus folgenden Klimawandels.
Ob früher wirklich mehr Lametta war, wie Opa Hoppenstedt behauptet, wissen wir nicht. Eines aber ist unbestritten: Früher war es kälter, und es fiel mehr Schnee, auch schon zu Weihnachten. Vor allem die holländische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts wurde zum Beleg eines Temperatursturzes auf der Nordhalbkugel der Erde, über deren Ursachen man erst seit wenigen Jahren mehr weiß.
Eine geringere Aktivität der Sonne und verstärkter Vulkanismus führten zu einem Absinken der Durchschnittstemperaturen um ein halbes Grad. Die Explosionen des Laki-Kraters auf Island im Jahre 1783 und des Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa im Jahr 1815 waren sogenannte plinianische Eruptionen, die Staub und Asche und Schwefeldioxid in große Höhen schleuderten.
Die Verschmutzungen wurden durch die Höhenströmungen um den Erdball getrieben und führten zu einer Reduzierung der Sonneneinstrahlung. Frühere Wetterphänomene, wohl durch geringere Sonnenaktivitäten ausgelöst, hatten zuvor schon zu einer lang anhaltenden Abkühlung geführt, in deren Folge sich nicht nur die Gletscher und das Packeis ausdehnten und viele schiffbare Flüsse über Monate hinweg zugefroren waren – es kam auch zu verheerenden Missernten und Hungersnöten. Die Großen Seen Nordamerikas blieben bis in den Juni zugefroren.
Von diesem Elend kündet die Malerei jener Zeit kaum. Vor allem die holländischen Darstellungen wirken wie die Wiedergabe großer Volksfeste auf dem Eis, mit Menschenschlangen bei der bethlehemitischen Volkszählung zwischen zugefrorenen Teichen, mit fröhlichen Gruppen und Fuhrleuten bei der Arbeit oder Schlittschuh laufenden Kinderscharen, man sieht Vergnügungen wie Eisstockschießen und Eishockey.
Und auch der Berliner Weihnachtsmarkt des 19. Jahrhunderts auf dem Gendarmenmarkt spiegelt mehr Lebensfreude als Angst vor dem Erfrieren. Bei Heinrich Zilles erst 1922 entstandener Winterszene vor dem Gasthaus „Zum Nussbaum“ im Nikolaiviertel weiß man nicht so genau, ob man mit der dicken Frau in der Bildmitte Mitleid haben sollte oder ob man über sie doch schmunzeln darf.
Mit eines der überraschendsten Ergebnisse der Schau war das Begreifen, dass in Hollands „goldenem Zeitalter“, einer Phase blühender Kultur und schnell wachsenden Reichtums, das Wetter viel wechselhafter war als heute – denn mitten in diesen eisigen Jahrhunderten gab es durchaus auch warme Phasen. Das mag uns Heutige daran erinnern, dass ein einziger großer Vulkanausbruch im pazifischen Raum innerhalb weniger Wochen alles, was wir vom heutigen Klima zu wissen glauben, auf den Kopf stellen kann.
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