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Panorama: Kommt wieder

Nach der politischen Krise liegt der Tourismus in Kenia am Boden – jetzt werben die Politiker um Gäste

Das weiße Segel der Dhow, eines kleinen afrikanischen Holzbootes, ist schon von Weitem zu sehen. Fischer nutzen die wendigen Schiffe, um vor der Küste Kenias ihren Fang einzuholen, oder um Touristen durch die Mangrovenwälder zu fahren. Auf der Internationalen Tourismus Börse in Berlin (ITB) ist das Boot am Stand der Kenianer ein Publikumsmagnet. Unter dem Strohdach eines Lehmhüttennachbaus schenken Massai-Krieger Tee aus, während die ostafrikanische Delegation mit Elefantenherden und Flamingos, Safaris, weißen Stränden und weiten Steppen wirbt.

Doch für den Tourismus in Kenia ist derzeit kein Land in Sicht: Die Touristenzahlen sind seit Anfang Januar um 90 Prozent zurückgegangen. Die Wirtschaft hat Einbußen von 60 Millionen Euro verbucht, was fast zwei Prozent der kenianischen Wirtschaftsleistung des Vorjahres entspricht.

Pünktlich zu Beginn der Hochsaison hatten die Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen Ende Dezember zu Gewalt und blutigen Kämpfen geführt. Für die Tourismusindustrie war es ein empfindlicher Rückschlag mit Folgen. Der Flughafen der Küstenstadt Mombasa glich einer Einbahnstraße. In langen Schlangen warteten Urlauber auf ihren Rückflug nach Europa. Neuankömmlinge tröpfelten nur noch vereinzelt aus der Empfangshalle.

Taxifahrer verschliefen ihre Sorgen an schattigen Plätzen, Kleinbauern blieben auf ihrem Gemüse sitzen. 25 000 Arbeitsplätze und unzählige weitere Jobs mussten gestrichen werden. So ging bald nach Beginn der politischen Krise in dem Land auch das Geld für die Nationalparks und den Schutz des Wildbestandes aus, das dringend benötigt wird. Der Kenyan Wildlife Service musste eine Bestellung von 200 Fahrzeugen stornieren, mit denen man verstärkt gegen Wilddiebe zu Felde ziehen wollte.

Auf der ITB ist die kenianische Delegation um Schadensbegrenzung bemüht. Eine Woche nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens in Nairobi bemüht sich das Land jetzt massiv um das Vertrauen der Reisewilligen. Um dem Ernst der Lage auch Rechnung zu tragen, zeigt sich gleich eine ganze Delegation von Ministern und Parlamentsabgeordneten in Berlin: Der Außenminister ist da, der Vizepräsident, und auch Informationsminister Samuel Poghisio verleiht der Botschaft Nachdruck: „Kenia ist wieder sicher, der Tourismus kann weitergehen, wir brauchen die Investitionen.“

Nachhaltiger Tourismus ist in Mode – dass sie damit bei Reiseanbietern und Urlaubern punkten können, wissen die kenianischen Politiker: Sie schwärmen von den Nationalparks und ihren Bemühungen, die Natur zu schützen. Mit Bildern und Worten, die auch Achim Steiner gefallen werden: Der Direktor des UN-Umweltprogramms (Unep), mit Sitz in Nairobi, unterstützt Kenia, um möglichst schnell aus der wirtschaftlichen Krise herauszukommen. Er weiß, dass sich Artenvielfalt und Umwelt nur schützen lassen, wenn Geld dafür da ist. Also hat er sich spontan entschlossen, die Kenianer zur ITB zu begleiten. „Wir bitten die Welt, Kenia als Reiseziel nicht zu vergessen."

In der Krise liege jedoch sogar eine Chance für den Tourismus, glaubt einer der kenianischen Aussteller. Ein Nationales Krisenkomitee wurde gegründet, in dem Mitglieder der Reiseindustrie, der Flughafengesellschaft und des Wildlife Service vertreten sind. „Wir arbeiten jetzt enger zusammen als jemals zuvor“, erzählt er. In ein bis zwei Jahren, so hofft auch Delegationsmitglied Andrew Tobos, werde man wieder auf dem ursprünglichen Niveau angekommen sein, das sich Kenia in den letzten Jahren als Tourismusikone erarbeitet hatte.

Um diese Wünsche zu erfüllen, kommt die weltweit größte Tourismusmesse gerade recht: Für Fluggesellschaften werden die Landegebühren gesenkt, Touranbieter können über die Eintrittspreise der Nationalparks verhandeln, Hotelbesitzer locken mit Sonderrabatten. Anbieter von Pauschalreisen können so Preisnachlässe von 50 Prozent anbieten. „Die Zusammenarbeit mit kenianischen Hoteliers ist sehr eng“, sagt Mathias Brandes vom Reiseanbieter Thomas Cook. „Wir unterstützen Kenia durch offensives Marketing“, verspricht er. Die Katalogangebote deutscher Veranstalter gelten jetzt wieder uneingeschränkt, nachdem Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes aufgehoben wurden.

Jetzt erwarten die Reiseveranstalter auch staatliche Unterstützung. Der kenianische Informationsminister verspricht, die Nachfrage wieder anzukurbeln. Noch ist der Anstieg bei den Buchungen nicht zu spüren, Elefanten und Giraffen grasen ungestört. Doch es gibt wieder mehr Wilddiebe, die Hunger haben.

Alexander Glodzinski

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