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Ein Wrack der deutschen Schwarzmeerflotte, um den Wasserweg für Russen und jugoslawische Partisanen zu sperren, liegt am 10.10.2009 in der Donau.

© Thomas Brey/dpa

Letzte Reise der Nazi-Flotte: Weltkriegswracks in der Donau

Mit EU-Hilfe will Serbien die Donau besser schiffbar machen. Dafür müssen störende Nazi-Wracks geborgen werden.

Nur bei sommerlichem Niedrigwasser gibt die Donau ihr Geheimnis preis. Aus den gurgelnden Fluten unterhalb der Staumauer des Wasserkraftwerks Djerdap II ragen bei Flusskilometer 857 merkwürdige Erhebungen – die verwitterten Aufbauten eines versenkten Kriegsschiffs. In sehr trockenen Sommern seien die versunkenen Schiffe noch besser zu erkennen, erzählt am Donau-Ufer im serbischen Prahovo ein braun gebrannter Angler: „Wenn der Wasserpegel stark absinkt, werden hier drei, vier Wracks freigelegt.“

Es sind die rostigen Zeugen eines längst geschlagenen Krieges, die für die Donauschiffer bis heute ein lästiges Hindernis sind. Nachdem die Rote Armee im August 1944 die deutsch-rumänische Front in Bessarabien durchbrochen hatte, ordnete die deutsche Marine hastig den Rückzug ihrer Donau- und Schwarzmeerflotte an. Der deutsche Konteradmiral Paul Willy Zieb sollte den Konvoi von mehr als 200 Kriegs- und Frachtschiffen mit rund 8000 Soldaten und Zivilisten vor den anrückenden Sowjets über die Donau zurück ins Reich führen. Der Rückzug endete vorzeitig – auf dem Donaugrund bei Prahovo.

Von der auf dem rumänischen Ufer rasch vorrückenden Roten Armee sah sich der nur sehr mühsam flussaufwärts gelangende Konvoi immer wieder heftigem Beschuss ausgesetzt. In Prahovo schützte zwar eine Flussinsel die am serbischen Ufer dümpelnde Flüchtlingsflotte vor dem feindlichen Feuer. Doch nachdem vier Mal der Versuch eines Durchbruchs der von den Sowjets bereits kontrollierten Flussenge am Eisernen Tor gescheitert war, entschlossen sich die Deutschen Ende September 1944 dazu, ihre Schiffe selbst zu versenken – und sich zu Fuß Richtung Belgrad durchzuschlagen.

In Zickzacklinien quer durch den Fluss wurden die Schiffe übereinanderliegend versenkt: Die Wracks sollten die Fahrtrinne blockieren – und den Vormarsch der Russen abbremsen. Nach Kriegsende wurden zwar einige der versenkten Kriegsschiffe aus dem Fluss gezogen. Doch obwohl der Bau der Djerdap-Kraftwerke in den 70er Jahren den Großteil der Wracks in den Tiefen des neuen Stausees verschwinden ließ, haben sich die südlich der Staumauer gelegenen Überreste der deutschen Schwarzmeerflotte für die Donauschifffahrt auch wegen des Klimawandels und der häufigeren Niedrigwasser als gefährliches Hindernis entpuppt. Weshalb Serbien nun mithilfe von EU-Krediten die verengte Fahrrinne der Donau wieder besser schiffbar machen will.

„Die Wracks müssen entfernt werden, um auch größeren Schiffen eine gefahrlose Passage und Navigation in der Donau zu gewährleisten“, sagt Matteo Rivellini, der italienische Leiter der Westbalkan-Abteilung der Europäischen Entwicklungsbank (EIB) in Luxemburg. Tatsächlich müssen längere Frachtkonvois mit mehreren Schubleichtern bei Niedrigwasser in der verengten Fahrrinne entkoppelt und in Teilen an den Wracks vorbeigelotst werden: Zeitverluste von bis zu drei Tagen sind keine Seltenheit.

Sorge vor nicht entzündeter Munition

Anhand der vorläufigen Prüfung der derzeit verfügbaren Daten taxiert Rivellini die Kosten für die Bergung von 22Wracks auf 23 Millionen Euro. Diese sei jedoch nur ein Teil einer ganzen Reihe der von Belgrad geplanten und von der EIB mitfinanzierten Maßnahmen, um den Anteil der Binnenschifffahrt von derzeit nur acht Prozent an Serbiens Güterfrachtverkehr bis 2025 um ein Drittel zu erhöhen. Denn zur Förderung der Binnenschifffahrt sei nicht nur die Verbreiterung und Vertiefung der Fahrrinne, sondern auch der Ausbau von Schleusen und Hafenanlagen vonnöten.

Die EIB finanziere mit ihren Krediten rund 100 Millionen der Gesamtkosten von 204 Millionen Euro zum Ausbau der Wasserwege auf der serbischen Donau, sagt Rivellini. „Es ist ein serbisches Projekt, das wir für großartig halten: Es verbessert die Schifffahrt auf einem wichtigen europäischen Korridor, sorgt für besseren Marktzugang von Gütern und die Verlagerung des Transports von der Straße auf die Flüsse.“

Schon von 2006 bis 2008 hatte ein von der EU finanziertes serbisch-niederländisches Expertenteam mithilfe von Ultraschallsonden die Position der Wracks vermessen und analysiert. Aus Mangel an Mitteln wurde über die Bergung der Wracks jahrelang nur geredet – nun scheint Belgrad die Beseitigung des störenden Alteisens hinter dem Eisernen Tor tatsächlich in Angriff zu nehmen. Von einem Beginn der Bergung der „deutschen Schiffe voll geraubter Schätze Russlands“ schreibt bereits aufgeregt das Boulevardblatt „Novosti“.

Weniger das angebliche Beutegut als die Sorge vor Treibstoffresten, nicht entzündeter Munition oder Waffen an Bord der Wracks erfordert eine detaillierte Untersuchung vor der bis zum Jahr 2023 geplanten Hebung: Bevor der Flaschenhals von Prahovo entschärft werden kann, müssen die Schiffe mit Hilfe von Tauchern erneut sorgfältig analysiert werden.

Die Donau stelle genau die Mitte Europas dar, das Nazi-Deutschland besiegt habe, zitiert Rivellini seinen Landsmann und Schriftsteller Claudio Magris: „Dass Europa nun die Behebung von einer der Folgen des Sieges gegen Nazi-Deutschland mitfinanziert und so die Donau schiffbarer macht, erfüllt uns auch etwas mit Stolz.“

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