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Matthies meint: Stilvoll wohnen im Herz der Partei

Wer Kanzler werden will, der braucht einen festen Wohnsitz in der Hauptstadt. Einfach so herumgeistern, mal hier auf den Tisch hauen, mal dort eine Rede halten, ewig herumjetten und im Notfall im Büro schlafen – das passt nicht zu jemandem, der ein so bodenständiges Volk führen will.

Wer Kanzler werden will, der braucht einen festen Wohnsitz in der Hauptstadt. Einfach so herumgeistern, mal hier auf den Tisch hauen, mal dort eine Rede halten, ewig herumjetten und im Notfall im Büro schlafen – das passt nicht zu jemandem, der ein so bodenständiges Volk führen will. Doch es ist natürlich verflucht schwer, genau das Richtige zu finden, einen Wohnsitz, der Nähe zum Wähler, einen bürgerkompatiblen Lebensentwurf und ein gewisses Niveau mit verkehrsgünstiger Lage verbindet und notfalls von wenigen Polizisten verteidigt werden kann.

Peer Steinbrück, das lässt sich klar sagen, hat in dieser Frage diesmal alles richtig gemacht. Oh, was hätte da alles schiefgehen können! Ein Apartment auf Zeit im Ritz-Carlton? Eine Villa in irgendeinem FDP-verseuchten südwestlichen Wahlkreis? Oder irgendeine Anbiederungswohnung in der Hellersdorfer Platte? Niemals.

Steinbrück ist in den Wedding gezogen, den sprichwörtlich roten. Hier residiert der Landesverband, hier pumpert das regionale Herz der Partei, und wer sich hier als Besserverdiener niederlässt, der muss, zumindest noch, nicht den Vorwurf fürchten, er leiste der Gentrifikation Vorschub. Steinbrück hat sich aber doppelt abgesichert, indem er mitteilte, der Kauf gehe auf die Initiative seiner Frau zurück. Damit gilt er als sanft getriebener Frauenversteher, der für die Folgen seines Handelns diesbezüglich nicht verantwortlich gemacht werden kann. Überdies befindet sich ein wichtiges Machtzentrum der SPD, die Abgeordnete Eva Högl, nur zwei Stockwerke tiefer – damit ist auch ein energieeffizienter Meinungsaustausch auf höchster Ebene jederzeit möglich.

Eine ausgezeichnete Wahl also! Zudem ist zu loben, dass der Kandidat seine neue Wohnung mit einem wertsteigernden Bekenntnis zu Berlin verbindet. „Ich habe die Schnauze voll von all dem Berlin-Bashing aus dem Rest Deutschlands“, sagte er am Wochenende. In Bonn-Plittersdorf, seinem angestammten Wohnsitz, werden sie nun zweifellos finden: Der Peer ist keiner mehr von uns. Ein entscheidender Wahlprüfstein liegt nun zweifellos in der Antwort auf die Frage, ob er auch als Wahlverlierer im Wedding wohnen bleibt.

Angela Merkel wird ihre dem Berliner Leben etwas entrückte Wohnung am Pergamon-Museum nun wohl nicht mehr alternativlos finden. Möglicherweise ist für sie auch noch was frei in Wedding? Sie hat von all dem Berlin-Bashing sicher auch die Schnauze voll.

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