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Sprachgenie Michal Perlinski.

© dpa

Michal Perlinski: 15 Sprachen fließend

Michal Perlinski kann sich in vielen Sprachen unterhalten, in 15 sogar fließend - sagt er. Möglich wird dies durch seine Fähigkeit, Buchstaben auf besondere Weise wahrzunehmen. Dafür hat er es nicht so mit der Logik.

Statt auf den Spielplatz zu gehen wie andere Kinder, steckte Michal Perlinski seine Nase lieber ins Vokabelheft. Der heute 28-jährige Student spricht inzwischen viele Sprachen. Eigenen Angaben zufolge kann er sich auf 33 Sprachen unterhalten, in 15 davon fließend. Das Geheimnis des gebürtigen Polen haben Neuropsychologen herausgefunden: Er ist ein sogenannter Synästhetiker und nimmt Buchstaben auf besondere Weise wahr - und er hat ein fotografisches Gedächtnis.

Wörterbücher begleiten Perlinski schon das ganze Leben. In seinem Zimmer im Studentenwohnheim an der Ruhr-Universität Bochum reiht sich ein gelber Buchrücken an den nächsten, gut sortiert. Ordnung ist es auch, die es möglich macht, die unzähligen Sprachen und Wörter in seinem Kopf zu sortieren. „Ich sehe Buchstaben als Farben. Dadurch kann ich diese besser strukturieren“, erklärt er. Wegen seines guten Gedächtnisses müsse er sich eine Vokabel auch nur zweimal anschauen. Dann vergesse er sie nicht mehr.

Für den Masterstudenten der Slawistik und Romanistik sind Sprachen kein Hobby - sie sind seine Leidenschaft und sein Beruf. Schon in der Schule habe ihn der normale Sprachenunterricht unterfordert. Während seine Mitschüler noch Englisch lernten, habe er bereits mit Russisch begonnen. Dennoch scheitert er am Abitur, Mathe macht ihm einen Strich durch die Rechnung. „Ich brauche für die Analyse von Texten und logischen Zusammenhängen länger als andere Leute.“ Eine Ausnahmeregelung und sein außergewöhnliches Talent machten es dennoch möglich, dass er studieren darf.

Wissenschaftlerin zweifelt: „Irgendwann ist Schluss im Hirn."

Da er bilingual aufgewachsen ist - mit seiner Mutter kam Michal als kleines Kind von Polen nach Deutschland - habe er eine gute Voraussetzung für weitere Sprachen, erklärt Sprachwissenschaftlerin Christiane Bongartz von der Universität Köln. Sie zweifele allerdings daran, dass jemand so viele Sprachen wirklich fließend sprechen könne. „Europäische und slawische Sprachen dürften ihm leicht fallen, da er diese Systeme in die Wiege gelegt bekommen hat.“ Andere könne er vielleicht auch, aber dann vermutlich stets dieselben Ausdrücke, Wörter, Sätze. „Irgendwann ist Schluss im Hirn. Dann werden neue Informationen nur noch oberflächlich gespeichert.“ Bei seinem Nebenjob im Duty-Free-Shop des Flughafens Düsseldorf kann Michal Perlinski seine Begabung im Alltag einsetzen. Dort kommen die Kunden aus aller Welt. Der Bochumer redet mit den meisten von ihnen in ihrer Landessprache. In einem Beitrag des Pro7-Wissensmagazins „Galileo“ ist zu sehen, wie ein Japaner irritiert schaut, als er ihm einen guten Flug auf Japanisch wünscht. Eine junge Frau ist ganz begeistert von seinem Rumänisch und kann sich kaum von dem Gespräch losreißen. Kaum ein Kunde, den er nicht individuell begrüßen kann.

Eurovision Songcontest als Hobby

Ist er vielleicht doch die Ausnahme von der Regel? Psychologe und Neurowissenschaftler Sebastian Geukes von der Universität Münster erklärt, dass die Synästhesie gepaart mit dem fotografischen Gedächtnis der Schlüssel ist. „Die farbliche Strukturierung stellt im Prinzip eine Eselsbrücke dar, um sich neue verbale Inhalte zu merken. Und sein Gedächtnis speichert dann alles ab.“ Genauso wie das Hirn von Michal Perlinski alles über sein Hobby, den Eurovision Songcontest, speichert. Ganz gleich welches Jahr, welches Land, welcher Teilnehmer, welcher Song - er kenne sie alle, behauptet der 28-Jährige. „Es macht mir einfach Spaß, alles darüber auswendig zu lernen. Außerdem lerne ich Sprachen durch die Musik viel leichter.“ Während andere einen Ohrwurm von Liedern haben, habe er einen Ohrwurm von Sprache.

Dass Michal als Kind auf das Asperger-Syndrom, eine Kontakt- und Kommunikationsstörung, getestet wurde, wundert den Neuropsychologen Geukes nicht. Denn solch eine Inselbegabung gebe es oft bei Autisten oder Menschen mit ähnlichen Beeinträchtigungen. Michal Perlinski hat diese Krankheit aber nicht.

Was der Student mit seiner beruflichen Zukunft anstellen möchte, weiß er noch nicht genau. Dolmetscher soll es aber nicht sein. Lieber will er promovieren oder in die Sprachforschung gehen. Und weitere Sprachen lernen. „Bis ich irgendwann vielleicht alle kann.“ (dpa)

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