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Unaufhörlicher Regen. Diese Bäuerin bepflanzt ihr Reisfeld im ostindischen Bundesstaat Orissa. Obwohl sie den ganzen Tag schwer arbeitend im Regen hockt, ist sie froh über jeden Tropfen, den der Monsun ihr in diesen Wochen bringt.

© REUTERS

Monsun und Klimakatastrophe: Durstiges Land

Der Monsun setzt Asien unter Wasser. So auch Indien. Bilder von Überschwemmungen dominieren das Bild. Gleichzeitig leidet das Land unter Trockenheit. Wie kann das sein?

Ihm blieben nur noch Gebete, sagt Gopal Rau Jadhav. Einen solchen Wassermangel habe er noch nicht erlebt. Der 55-jährige Bauer aus dem indischen Bundesstaat Maharashtra baut Zuckerrohr an. Doch in diesem Sommer kommt der Monsun nicht in Schwung. Jadhav ist verzweifelt. „Seit Monaten ist selbst das Trinkwasser knapp. Wir können noch nicht mal daran denken, das Zuckerrohr zu bewässern“, stöhnt er.

Nun hat Indiens Wetterbehörde bestätigt, was die verdorrten Felder in einigen Gebieten längst ankündigten: In weiten Teilen des Subkontinents droht eine Dürre, obwohl der Monsun Asien derzeit unter Wasser setzt und vielerorts, auch in Indien, große Gebiete überschwemmt. Der Monsun, der große Lebensquell Indiens, blieb aber trotz der Hochwasserbilder bisher landesweit um fast 20 Prozent unter normal, im Nordwesten sogar um 35 Prozent. Vier große Bundesstaaten – Rajasthan, Maharashtra, Karnataka und Haryana – haben nun offiziell den Dürrenotstand ausgerufen. Gujarat könnte bald folgen.

Das ist das Letzte, was die von der Bevölkerungszahl her zweitgrößte Nation der Welt derzeit brauchen kann. Eine Dürre droht die ohnehin stockende Wirtschaft weiter zu bremsen. Von einem „mittsommerlichen Albtraum“ schreibt die „Hindustan Times“. Zwei Drittel der 1,2 Milliarden Inder hängen von der Landwirtschaft ab, die etwa 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert. Die meisten sind Kleinbauern. Ernteausfälle bedeuten noch mehr Not, noch mehr Hunger.

Trockenheit und Ernteausfälle werden die Teuerung weiter beschleunigen. Die Preise für Lebensmittel wie Zucker, Linsen und Senföl schießen schon seit Monaten in die Höhe. Allein von Juni 2011 bis 2012 verteuerte sich Gemüse um 28 Prozent – und das war vor der Dürre.

Ausgetrocknet. Wie eine Wüste sieht das Ackerland hier im Bundesstaat Gujarat aus. Diese Bäuerin hat Heureste gesammelt, um ihr Vieh zu ernähren.
Ausgetrocknet. Wie eine Wüste sieht das Ackerland hier im Bundesstaat Gujarat aus. Diese Bäuerin hat Heureste gesammelt, um ihr Vieh zu ernähren.

© REUTERS

Hinzu kommt, dass zusätzlich die Dürre in den USA die globalisierten Terminmärkte für Lebensmittel explodieren lässt. Überall steigen die Preise für Grundnahrungsmittel.

Auch in Indien trifft die Teuerung besonders die Armen und die untere Mittelschicht, die in den Boomjahren vom Aufstieg träumte. Nun fressen die Preissprünge die Wohlstandsgewinne wieder auf. Fleisch können sich die meisten Inder kaum leisten. Nun wird auch Gemüse mehr und mehr zum Luxusgut.

Die ersten Bundesstaaten haben Neu-Delhi um millionenschwere Hilfspakete ersucht. Dabei dürften sich die Probleme in ganz Südasien in den nächsten Jahren verschärfen. „Dies ist erst der Beginn der Wasserkrise“, sagt Himanshu Thakkar vom Südasien-Netzwerk für Dämme, Flüsse und Menschen. Wasser wird zum knappen Gut. Weil der Monsun zu spät kam, saßen im Juni und Juli viele Großstädte Indiens über Tage auf dem Trockenen.

In Neu-Delhi mussten einzelne Hospitäler sogar Operationen verschieben, weil Wasser zum Händewaschen fehlte. In Wohnvierteln standen Menschen Schlange vor Wassertanks. Experten drängen die Politik daher, mehr Vorsorge zu treiben. Indien müsse nach dem Vorbild von China und Mexiko mehr Regenwasser sammeln und speichern – damit das Land weniger verwundbar für die Schwankungen des Monsuns wird. Noch schlimmer sieht es allerdings in Indiens Nachbarland Pakistan aus. In Indien stehen Medien zufolge je Einwohner noch 1730 Kubikmeter Frischwasser im Jahr zur Verfügung. Das sei zwar nur ein Viertel des weltweiten Wertes – aber immer noch mehr als in Pakistan: Dort sind es nur 1000 Kubikmeter pro Einwohner.

Bereits heute beharken sich die verfeindeten Atomstaaten um den Baghlihar-Staudamm im indischen Teil von Jammu und Kaschmir. Islamabad treibt die Angst um, dass Neu-Delhi den Wasserzulauf in den Pandschab, Pakistans Kornkammer, rationieren könnte. Indien wiederum sorgt sich, dass China wichtige Wasserläufe eindämmen könnte. Experten warnen, dass es nach 2020 zu regelrechten Wasserkriegen kommen könnte.

Gopal Rau Jadhav, der Bauer aus Maharashtra, weiß nichts von diesen düsteren Analysen. Ihn sorgt nur, wie er dieses Jahr über die Runden kommt. 100 000 Rupien, umgerechnet knapp 1500 Euro, verdient er in normalen Jahren mit dem Zuckerrohr. Davon müsse seine ganze siebenköpfige Familie das ganze Jahr leben. In diesem Jahr rechnet er nur mit 50 000 Rupien. „Ich hoffe nur, dass ich nicht unser Vieh verkaufen muss, damit wir genug zum Essen haben.“

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